Freie Presse 30. März 1991 - Harald Gläser
Nachrichten
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Ein halbes Leben auf dem Kirchturm
Gerhard Richter, 83 Jahre, aus Krumhermersdorf

40 Jahre läutet er in der Kirche Krumhermersdorf die Glocken, am Ostersonntag offiziell zum letzten Mal - Gerhard Richter.

Gerhard Richter - unter diesem Namen kennen ihn wohl die wenigsten. Für die Krumhermersdorfer ist er schlichtweg der Schmied-Gerhard. Das hängt ganz einfach damit zusammen, daß er einst Schmied gelernt und als solcher den privaten Handwerksbetrieb vom Vater übernommen hatte. Dies ist aber schon lange her. Nunmehr ist er 83 Jahre alt und muß schweren Herzens auch seine Tätigkeit als Glöckner und „Mann für alle Fälle" in der Kirchgemeinde aufgeben. Er ist das, was man landläufig als ein „Original" im Dorf bezeichnet. Ein Mann der leisen Töne, unauffällig aber zuverlässig wie das Uhrwerk der großen Turmuhr welches er regelmäßig wartet. Es vergeht kein Tag an dem er nicht wenigstens einmal in der Kirche nach dem Rechten sieht, egal ob bei Regen oder Schneesturm -und das schon 40 Jahre . . . ! Er ist einer, der die Arbeit nicht nur sieht, sondern auch gleich mit anpackt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Gebäude, Heizung oder Friedhof handelt. Nun läutet er am Ostersonntag offiziell zum letzten Mal. Sein Rat und seine Hilfe werden aber auch weiterhin gefragt bleiben. Der Kirchenvorstand und die ganze Gemeinde sind ihm für die vielen Jahre treuer Dienste sehr dankbar. Es werden jetzt schon Stimmen laut, die bezweifeln, ob sich ein solcher Mann für diesen Dienst so leicht wieder finden läßt.