Freie Presse, Lokalseite Zschopau vom 4. Mai 1991
Nachrichten
seit 1990

In Krumhermersdorf beschloß Hauptausschuß -
Zschopauer Eltern entscheiden mit

Von Bettina Harnisch

Mitspracherechte
Von Bettina Harnisch

Wenn zum Zschopauer Bierzelt-Talk vom 1. Mai von einer Kindergärtnerin darum geworben wurde, daß bei Entscheidungen um die Zukunft der Kindereinrichtungen nicht das leidige Finanzproblem einziges Kriterium sein sollte, so hatte dies sicher die Zustimmung nicht nur betroffener Eltern. Investitionen in unsere Kinder sind nun mal Investitionen in die Zukunft.
Außer eigenen Existenzsorgen waren das wohl auch Beweggrund der Zschopauer Kindergärtnerinnen, sich hartnäckig um einen von allen tragbaren Konsens mit der Stadtverwaltung zu bemühen. Der wurde denn glücklicherweise auch gefunden. Das "Zauberwort" hieß - wie in diesen Tagen so oft - ABM. Diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen machen es möglich, daß ab September die Steppkes auch weiterhin wohl behütet sein werden, vernünftige Gruppenstärken den Erzieherinnen Freiräume für intensive Beschäftigung mit ihren Schütz-lingen schaffen. Und die Eltern dürfen mitbestimmen, von wem ihre Sprößlinge betreut werden. Da Kinder bekanntlich strenge Kritiker sind, werden sie ihren Vatis und Muttis sicher schon lange kundgetan haben, welche "Tante" ihnen die liebste ist. Warum man in Krumhermersdorf diesen gemeinsamen Weg nicht gefunden hat, ist fraglich. Ein Aufeinanderzugehen vor einer Beschlußfindung hätte sicher Arger auf allen Seiten erspart. Ebenso fraglich bleibt auch, ob nicht auch hier das "Zaubermittel" ABM hätte eingesetzt werden können. Denn nach den Außerungen des Bürgermeisters blieb im Unklaren, ob bei der "Errechnung" der notwendigen Erzieherzahl neben der Gruppenstärke auch Öffnungszeiten und damit die arbeitszeitmäßige Belastung der einzelnen Kolleginnen berücksichtigt wurde. Bleibt zu hoffen, daß nicht die Jüngsten die Leidtragenden eines Beschlusses sind, den offenbar nur der Hauptausschuß trägt.

ZSCHOPAU/KRUMHERMERSDORF. Die Wogen um das Problem Kindergärten schlugen in den letzten Wochen häufig recht hoch: Sowohl als es in den Kommunen um die Festlegung der von den Eltern zu entrichtenden Beiträge ging, als auch bei der Auswahl des durch die Kommune festzulegenden Personenkreises der Kindergärtnerinnen, die ab 1. September in den Kindergärten arbeiten werden.

In Krumhermersdorf hatten bekanntlich nach einem Beschluß des Hauptausschusses über zwei nicht von der Gemeinde zu übernehmende Kindergärtnerinnen die Eltern per Unterschriftensammlung ihr Mitspracherecht eingefordert. Daraufhin äußerte sich Bürgermeister Jörg Tausch gegenüber der "Freien Presse" zunächst etwas verärgert über die Art und Weise der Unterschriftensammlung. Es sei nie die Rede davon gewesen, den Kindergarten zu schließen. Man wolle keineswegs, daß eine Mutti wegen Mangels an Kindergartenplätzen ihre Arbeit verliere. Nur müsse die Gemeinde auf die Wirtschaftlichkeit der Einrichtung bedacht sein. Da im September von den gegenwärtig 38 bis 42 hier betreuten Kindern 15 in die Schule kämen, nicht ebenso viele Zugänge zu erwarten seien, könnten nur vier Erzieherinnen weiter beschäftigt werden. Zudem rechne man damit, daß infolge der Beschäftigungslage im Ort die Zahl der Kindergartenkinder abnehme, arbeitslose Muttis ihre Kinder daheim behielten. Die Gemeindeverwaltung sei aber bereit, im Bedarfsfall wieder Erzieherinnen einzustellen. Die Gemeinde entlasse im übrigen auch gar nicht, wie behauptet werde, denn die Kindergärtnerinnen würden ja noch vom Schulamt beschäftigt - von demselben also auch bei Nichtübernahme durch die Kommune entlassen (1).

Tausch betonte, daß der Beschluß über die Beschäftigung von nur vier Erzieherinnen vom Hauptausschuß gefällt worden sei - also von gewählten Volksvertretern. Er sei der Meinung, daß man diesen Gremien das Entscheidungsrecht nicht aus den Händen nehmen dürfe. Bei aller Demokratie könne nicht jeder Entscheidungsfindung eine Volksbefragung vorausgehen. (2)

In der Zschopauer Stadtverwaltung ist man da etwas anderer Meinung. Zwar gab es noch in und nach der letzten Stadtverordnetenversammlung Unmut unter den Kindergärtnerinnen, als Beigeordneter Lothar Krenz erläuterte, daß aus wirtschaftlichen Gründen nur 37 von 52 ausgebildeten Kindergärtnerinnen übernommen werden könnten. Eine Analyse der amtierenden Mitarbeiterin des Schulamtes und Leiterin des MZ-Kindergartens, Renate Gottschald, sagte nämlich demgegenüber aus, daß ab September voraussichtlich etwa für 580 Kinder Betreuungskapazität in Kindergärten benötigt wird. Um dies in der vorgeschriebenen Gruppenstärke von 12 bis 14 Kindern und bei einer mehr als zehnstündigen Öffnungszeit abzusichern, sind jedoch diese 52 Kolleginnen erforderlich. Schließlich soll der Kindergarten ja auch nach dem Willen der Eltern keine Bewahr-Anstalt, sondern entwicklungsfördernde Einrichtung sein.

Allheilmittel ABM
Von Hermann Doerffel
Zur Sitzung der Krumhermersdorfer Gemeindevertretung am Dienstag wurde deutlich, daß Arbeits-Beschaffungs-Maßnahmen ein zweischneidiges Schwert sein können. Sicher keine ganz neue Weisheit. Doch es scheint notwendig, dies wieder einmal ins Bewußtsein zu rücken.
Wie schon in den vergangenen Tagen zu lesen war, erhielten alle Kindergartnerinnen eine Kündigung mit dem Zusatz, daß sie nach Möglichkeit durch die Gemeinden über ABM wieder eingestellt werden sollten. Nach Möglichkeit! Aber selbst jene, die unter diese Möglichkeit fallen, sitzen auf einem Schleudersitz. Bekanntlich sind Beschäftigungen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auf ein, unter besonderen Bedingungen auf drei Jahre befristet.
Und dann?
Wenn die Kindereinrichtungen schließlich in voller Verantwortung der Gemeinden stehen - die auch den Lohn zahlen müssen - kommt die Stunde der Wahrheit. Welche Gemeinde hat dann plötzlich zusätzliches Geld zur Verfügung? Die Alternative aber heißt: Höhere Elternbeiträge, weniger Kinder, Personalabbau, weniger Kindergarten- und -krippenplätze für die Zukunft.
Hier steht dann wohl die Frage nach dem Sinn der ABM offen. Das erforderliche Geld für die Löhne der in den Kindereinrichtungen Beschäftigten scheint im großen und ganzen vorhanden zu sein. Doch obwohl die Kommunen für eben diese Einrichtungen verantwortlich sind, bekommen sie es nicht in die Hand. Die Leidtragenden sind die Kindergärtnerinnen, Krippenerzieherinnen und nicht zuletzt die Kinder. Die aber sind in solcherart vorläufigen Verhältnissen wohl nicht am besten aufgehoben.
So gab es Anfang dieser Woche eine erneute Beratung zwischen Stadtverwaltung, Schulamt, einer Vertreterin der Kindergärten und dem Personalrat des Schulamtes. Glücklicherweise kam es hier zu einem Konsens, der auch nach Aussage von Renate Gottschald alle Beteiligten (sicher die zu entlassenden ungelernten Helferinnen ausgenommen) zufriedenstellt. 15 Kindergärtnerinnen sollen jetzt ab September über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beschäftigt werden. So können alle Kinder in Gruppen üblicher Stärke betreut werden. Bei der Auswahl der Kolleginnen aber, die in ABM übernommen (also zunächst nur ein befristetes Arbeitsverhältnis haben) oder umgesetzt werden, sollen die Elternvertretungen Mitspracherecht erhalten. So sei es übrigens auch in den Alt-Bundesländern üblich, äußerte Renate Gottschald. Die entsprechenden Diskussionen werden in den jeweiligen Einrichtungen mit den Eltern geführt, am 15. Mai wird es eine erneute Beratung mit der Stadtverwaltung geben.


  1. Eine rechte Haarspalterei! Die Gemeinde ist nicht der Buhmann,
    der die Kindergärtnerinnen entlässt. Sie übernimmt nur nicht
    alle ... Eigentlich hatten damals viele (noch) die Hoffnung, solche
    Tatsachen-Beschönigung gehöre der DDR-Vergangenheit an.
  2. »Alle dürfen mitspielen - aber nichts anfassen!«
    Auch der kritische Korrespondent kriegte paarmal eins auf den
    Hut, weil er seine Zeitungsbeiträge nicht vorher beim Herrn
    Bürgermeister hatte gegenzeichnen lassen.