![]() Freie Presse 31. August 2006 Andre Bauer |
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Als die Auslosung der ersten Runde im Fußball-Sachsenpokal dem FSV Krumhermersdorf den FC Sachsen Leipzig als Gast bescherte, war die Euphorie groß. Zwei Tage vor dem Anpfiff am Samstag, 15 Uhr, sind die Spieler heißer denn je auf den Vergleich mit dem Traditionsverein aus der Oberliga. Für die Verantwortlichen des Landesligisten stellt das Spiel eine vor allem zeitintensive Herausforderung dar. Schon seit zwei Wochen arbeiten sie mit der Polizei daran, aufgrund zu erwartender gewaltbereiter Fans Sicherheitsauflagen zu erfüllen und Parkmöglichkeiten außerhalb des ab 12 Uhr gesperrten Ortskerns zu schaffen.
»Wir gehen davon aus, dass die Marke von 1000 Zuschauern durchbrochen wird«, sagt FSV Abteilungsleiter Steffen Richter. Während das Publikum den Ligawert von durchschnittlich 250 Gästen deutlich übertreffen dürfte, ist die Zahl der Parkmöglichkeiten am Stadion der Bauarbeiter wesentlich geringer. So wird der sonst von Autos nutzbare Hartplatz ausschließlich von der Polizei und den Bussen aus Leipzig in Beschlag genommen. »Uns blieb keine andere Möglichkeit, als am Rande des Ortes nach Parkmöglichkeiten zu suchen«, so Richter. Er hofft, dass die ¦Gäste Verständnis für die Sperrung des Ortskerns aufbringen, die ein Verkehrschaos verhindern und für Ordnung sorgen soll. Besucher, die von der B174 aus über die Börnichener Länge anreisen, werden ihre Fahrzeuge auf dem Feld am Funkturm abstellen. Sie müssen den restlichen Weg zum Platz ebenso zu Fuß bewältigen wie die aus Richtung Zschopau oder Waldkirchen kommenden Zuschauer. Diese sollen ihre Fahrzeuge am Gelände der Agrargenossenschaft oder halbseits auf der Straße zwischen der MZ-Stadt und Krumhermersdorf abstellen.
»Zu DDR-Liga-Zeiten sind auch viele Fußballfreunde von Zschopau aus gelaufen«, erinnert sich Richter. Obwohl damals sogar bis zu 5500 Zuschauer kamen, sei diese Epoche nicht mit dem Duell gegen Sachsen Leipzig zu vergleichen - ebensowenig wie die gut besuchten Freundschaftsspiele der vergangenen Jahre gegen Hertha BSC Berlin und Erzgebirge Aue. Der Hauptgrund dafür sei bei einigen Leipziger Fans zu suchen, die als gewaltbereit eingestuft wurden. Dementsprechend sahen die Vorkehrungen aus. Für die erwarteten mehreren hundert Gäste-Anhänger, die ab etwa 11 Uhr in erster Linie per Zug an den Bahnhöfen Zschopau und Waldkirchen ankommen sollen, wurde ein separater Block geschaffen. „Wir haben seit Montag zwei Meter hohe Baugitter auf einer Länge von 120 Metern aufgestellt", erklärt Richter. Innerhalb dieses Bereichs befinden sich auch zwei Toiletten und Verkaufsstände. Der Eintritt erfolgt ebenfalls über zwei getrennte Zugänge. Neben etwa 40 Vereinsmitgliedern sollen ein achtköpfiger Sicherheitsdienst sowie die Polizei für Ordnung sorgen, die sich in den vergangenen Tagen mehrfach mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut machte.
Freie Presse 4. September 2006 Jan Oechsner
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Großaufgebot der Polizei am Sonnabend: Im Schnitt kam ein Polizist auf 14 Krumhermersdorfer. |
Krumhermersdorf. »Wir sind heute das am besten bewachte Dorf Sachsens.« Kann gut sein, was der Mann mit der weißen Ordnerbinde da sagt. Das Stadion der Bauarbeiter, der ganze 1700-Seelen-Ortsteil von Zschopau steht im Fadenkreuz der Polizei: 120 Beamte, 30 Einsatzfahrzeuge, sechs Kräfte der Reiterstaffel des Freistaates, fünf Diensthundeführer. Ein Polizei-Helikopter kommt vom Tag der Sachsen aus Marienberg geflogen. Alle fünf Straßen ins Dorf sind gesperrt. Nein, Krumhermersdorf ist nicht mehr Krumhermersdorf. Jedenfalls nicht am vergangenen Sonnabend.
Drei Stunden später: Anpfiff. Es waren nicht die erwarteten 500, aber zumindest 280 der gefürchteten Fans im Stadion - darunter galt fast jeder Dritte als gewaltbereit. Sie mussten vom Bahnhof in Waldkirchen sechs Kilometer laufen. Auch durch die enge Straße zum Sportplatz. Dort, einen Steinwurf vom Stadion entfernt, wohnt Helmut Jüngling. »Hier fahren ständig die Polizeiautos lang«, sagt er. »Und das nur wegen dieses Spiels.« Sein Auto hat er vorsorglich hinten im Hof geparkt.
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»Das haben wir allen Anwohnern der Straße "Am Sportplatz" geraten. Sicher ist sicher. Ich wohne ja auch dort, habe meinen Mitsubishi weggefahren«, sagt Ortsvorsteher Jörg Tausch. Er war am Sonnabend selbst im Einsatz, hielt mit sechs Männern der Freiwilligen Feuerwehr zwei Straßen gesperrt. Auch 15.45 Uhr, als es zur Halbzeit 2:0 für die Gäste stand. Die Leipziger-Fans sangen. Die Krumhermersdorfer nicht.
»Das Sicherheitsaufkommen ist gigantisch. Das hatten wir noch nie. Selbst bei Freundschaftspielen gegen Aue oder Hertha BSC nicht«, sagt Steffen Richter, der Abteilungsleiter vom FSV Krumhermersdorf. Alles, was Beine hatte im Verein, wurde eingesetzt: 32 Ordner mussten die Sicherheitsauflagen erfüllen - so viele gab es noch nie. Die Seite gegenüber der alten Anzeigetafel wurde mit hohen Zäunen abgesperrt. Ein extra Gäste-fanblock mit Käfigfunktion - sonst in Krumhermersdorf nun wirklich nicht nötig. »Die Sicherheit hat Vorrang. Aber wir merken das an der Zuschauerzahl.« Die ioooer-Marke sollte gerissen werden, doch es wurden nur 670 gezählt. »Viele sind an den Straßensperren wieder umgekehrt oder deshalb gar nicht erst gekommen. Denn es sind ja noch 25 Minuten Fußweg bis zum Sportplatz.« Das kostet den Verein Geld. Und es gibt Extra-Ausgaben. Richter: »Wir haben acht Männer einer Sicherheitsdienst-Firma aufgeboten, die wissen, wie Fans nach gefährlichen Gegenständen durchsucht werden. Wir haben davon doch gar keine Ahnung.« Allein das kostet dem Verein 700 Euro.
Und es hat sich nicht mal gelohnt: Gegen 16.45 Uhr war Abpfiff. Eine 7:0-Klatsche für die Krumhermersdorfer. Die Zeiten der großen Fußballer aus dem kleinen Ort, der Frank Sorges oder Bernd Sachses sind lange vorbei. Trotzdem war keine Traurigkeit im Dorf. Denn Helmut Jünglings Auto blieb ganz. Die 280 Leipzig-Fans trotteten brav die sechs Kilometer zum Bahnhof zurück. Die Straßen Sperrungen wurden aufgehoben. Kurz: Krumhermersdorf war wieder Krumhermersdorf.