Umweltschutz
vor Ort

Windmühlenflügel statt Waldesrauschen?

Gegen Ende der 90er Jahre prallten im Ort die Meinungen aufeinander: Eine Firma hatte den Antrag gestellt, auf den Höhen südlich des Dorfes Windmühlen zu installieren. Steuern für den Ort, ein Beitrag zum Umweltschutz und für die Mühlenbetreiber eine sichere Kapitalanlage - konnte es da überhaupt Gegenargumente geben? - Ja doch, es gab nicht nur, es hagelte solche. Gegen das rosarote Konzept der Betreiberfirma brandeten pechschwarze Argumente der Einwohner, und man konnte den Eindruck gewinnen, dass man Windmühlen nur entweder verehren oder hassen kann ... und der Antrag der Firma wurde im Rat ablehnt.

Weil nun zwischen SEGEN und FLUCH eine Menge Möglichkeiten liegen, wollen wir trotz Ratsbeschluss das Problem noch einmal betrachten; sozusagen aus zeitlichem Abstand heraus und ohne zwingende Notwendigkeit, uns jetzt zwischen Pro und Kontra entscheiden zu müssen.

Der Staat fördert die Nutzung der Windkraft, den Bau von Windmühlen. Es ist nicht sicher, ob dieses Förderkonzept bis zu Ende durchdacht ist. Schließlich gibt es auch unsinnige Förderung. Aber man kann davon ausgehen, dass Windmühlen nicht nur ein Thema für Öko-Fans sind. Dass sich Politiker mit dem Problem auseinandergesetzt haben und zur Ansicht kamen, Windmühlen brauche das Land. Gegen diese Ansicht kämpfen Bürgerinitativen mit Petitionen und Gerichtsprozessen. Sie bekommen ihr Engagement in aller Regel nicht bezahlt - das spricht für begründete Zweifel am Windmühlenkonzept. Wo liegt die Wahrheit?

Die globale Erwärmung
Rekonstruierte und gemessene mittlere Temperaturen der nördlichen Hemisphäre von 1000 bis 2000 n.Ch, relativ zum Mittelwert aus 1961 - 1990 (3. Fünfjahresbericht des IPCC, Januar 2001; www.ipcc.ch); die grauen Balken geben die statistische Fehlerbreite an.
Dass es eine globale Erwärmung gibt, und dass diese für die Erde nicht gut ist, darüber sind sich heute die allermeisten Menschen einig. Um diese globale Erwärmung zu stoppen, haben sich all die großen Industriestaaten in Kyoto darauf verständigt, ihren Öl- und Kohleverbrauch zu reduzieren. Teilweise gab es sehr lange Debatten in den nationalen Parlamenten, bis diese Übereinkunft nationales Gesetz wurde - Russland hat das erst kürzlich entschieden, und die USA streiten immer noch darum.

Noch vor fünf Jahren meinten unsere Politiker, dass ein Verzicht auf fünf Prozent Öl und Kohle auch ein Verzicht auf fünf Prozent Wirtschaftswachstum sei; und damit nicht realisierbar. Inzwischen hat die Nutzung regenerativer Energie (also jene, die NICHT aus Öl oder Kohle gemacht wird) einen beachtlichen Umfang erreicht. Das Ziel von Kyoto scheint erreichbar, wenn gleichzeitig auch Energieverschwendung beseitigt wird: Schlecht isolierte Gebäude, uneffektive Technologien, unnötiger Verkehr und zuviel Stau ...

Es ist nun keineswegs so, dass man eine Solarzelle aufs Dach setzt oder eine Windmühle auf den Berg, und schon spart man paar Kilo- oder Megawattstunden Kraftwerksleistung ein. Denn auch Solarzelle oder Windmühle müssen gebaut werden, verbrauchen Material, Arbeit und Energie bei ihrer Herstellung. Wer einen Kredit aufnimmt für eine tolle Maschine, der rechnet vorher nach, ob die Produktion auf dieser Maschine mehr abwirft, als sie gekostet hat. Das ist eigentlich elementar ... Bei der Energieeinsparung muss man freilich ebenso rechnen: 12.000 Kilowattstunden braucht man zur Herstellung der Solarzellen, 20 Jahre halten sie und liefern in dieser Zeit 20.000 Kilowattstunden: Rein energiemäßig lohnt sich der Einsatz!

Eine Windmühle ist viel teurer, viel aufwendiger herzustellen, sie verbraucht schon eine ganze Menge Energie, bis sie sich das erste Mal dreht. Steht sie nun hinter einem Berg, brauchte sie fünfzig Jahre, bis sie selbst soviel Energie produziert hätte. Doch bis dahin wäre sie sicher zerfallen ... Klarer Fall, das lohnt sich nicht. Auf welchem Berg sich eine Windmühle lohnt (nicht nur in punkto Energie, auch finanziell), ist eine Berechnung mit vielen Wenn und Aber. Und gewiss rechnet keiner sorgfältiger nach als der Erbauer oder die Bank, die den Kredit gibt.

Die Mühlengegner reden oft von unseriösen Berechnungen; wir lassen dieses Argument jedoch beiseite, denn wir gehen davon aus, dass der Mühlenbetreiber kein Zuschussgeschäft betreiben will. Viel stärker wiegt doch da das Argument von der vermühlten Landschaft, von Vogelvertreibung, von nervigem Schattenwurf und störendem Gedröhn. Das sind lauter Argumente, die den Mühlenbetreiber nicht wirklich interessieren. Trotzdem sind es nicht lauter Vorurteile, wie er meint.

Tatsächlich beeinträchtigen die Windmühlen das Bild der sanft geschwungenen Wälder, tatsächlich stören sich Vögel an den Riesenkreiseln und nisten nicht in Mühlennähe, tatsächlich ist die zumutbare halbe Stunde Schattenwurf im Wohnzimmer nicht wirklich zumutbar. Aber der Gerechtigkeit wegen sollten wir all diese Störungen ins Verhältnis setzen zu anderen Störungen, denen wir ausgesetzt sind:

Natürlich ist es ärgerlich, wenn Lärm oder Schattenwurf oder nur der Riesenspargel das traute Heim am Ortsrand beeinträchtigen, und es ist verständlich, wenn sich jeder Betroffene wehrt. Nur wird das nie zu allgemeiner Ächtung der Windmühlen führen, wie das solche Initiativgruppen wünschen mögen - eben weil andere Leute noch ganz andere Belästigungen erdulden müssen.

Das ist andererseits aber noch lange kein Freibrief, nun nach Lust und Laune jeden geeigneten Standort mit Windmühlen zu bebauen. Es gibt genug Standorte (wirklich!), die weit genug von Siedlungen und Wäldern entfernt sind, wo niemanden die ewig kreisenden Flügel stören.
Und weil wir gegen die globale Erwärmung sind, weil wir unseren Kindern und Enkeln eine funktionierende Umwelt übergeben wollen, werden wir unsere Vorurteile über Bord werfen und an solchen Standorten Windmühlen bauen, soviel es geht.

Oder vielleicht doch nicht? - Wir haben die Alternative, unseren Energieverbrauch insgesamt zu reduzieren: Teureres Benzin wird uns lehren, unsere Wege sorgfältig zu planen, teurerer Strom wird die Lichterpracht des Erzgebirges im Advent verblassen lassen, teureres Öl oder Gas wird uns nur noch die Wohnstube heizen lassen: Wir könnten wirklich richtig Energie sparen. Aber wollen wir denn?