Pfarrer Lieberwirth
1755

Das Hochwasser im Dorf

O trauriges Schicksal, das sich hat zugetragen,
hier in Krommhermersdorff vor ein paar wenig Tagen.
Ein Fall ein Ungelück, so niemahls hier geschehen,
das müssen wir nunmehr betrübet vor Augen sehen.
Da vorgen Donnerstag Gott ließ den Donner schallen
mit starkem Hall und Schall, so hat es ihm gefallen,
daß eine Wasser-Fluth und Wolckenburch mit Macht
fast unser gantzes Dorff zu dem Ruin gebracht.
Da sah man Schreckensvoll die großen Wasser schießen,
wie sie in einem Huy die Häußer niederrieß.
Da wurde man Hertzeleid und große Noth gewahr,
ja manches schwebte auch darbey in Todts-Gefahr.
Und dennoch mußt die Fluth aus einem Hauß
aufreiben ein liebes Ehe-Weib und Jungfrau,
die da blieben Im Wasser, welches Sie mit schnellen Zug nahm hin,
und mußten mit dem Schutt sehr jämmerlich hinfliehn.
Ach! das ist Hertzeleid, das gar nicht zu ergründen,
ein Schmertz, dergleichen oft in dieser Welt zu finden;
Ein lieber Ehe-Mann der erst abwesend war,
wird, da Er angelangt, die Frau nicht mehr gewahr.
Und muß zugleich darauf die Schreckens-Post anhören,
wie auch mit Augen sehen das Unglück und Zerstören
das Gott mit seinem Hauß und lieben Frau gemacht,
die Er nun lassen muß und soll aus seiner Acht.
Ach Gott! Ach armer Mann! (Hört man ihn ietzo sagen)
Wie beugst Du mich so sehr? Wie hast Du mich geschlagen?
Ach wie ist meinem Hertz der größte Schmertz geschehn!
Daß in der Wasser-Noth mein Weib muß untergehn.
Soll ich denn meine Frau bey solcher Noth Verliehren,
die meine Wirthschafft wohl mit Klugheit hat regieret.
Mit der ich in der Zeit in Fried und Einigkeit
bey vieler Sorg und Müh vollbracht die Lebens-Zeit.
Vier Söhne sehn bestürtzt, und thun die Hände winden,
da Sie die Mutter nun ertruncken müssen finden.
Die mit dem Vater ietzt der Pflegerin beraubt;
Der Schmertz ist billig groß, und wird gar wohl geglaubt.
Die gantze Freundschafft und die Kirchfahrt ist gesetzet
in großer Traurigkeit, so daß sie heut benetzet
mit einer Thränen-Fluth und Weinen ohne Zahl
der selgen Fleischerin und Jungfer Unglücks-Fall.
Mir selber will das Hertze in meinem Leibe brechen,
daß ich für Wehmuth kaum kann reden und ausprechen
das große Ungelück, das Gott uns zugeschickt
und unser armes Hertz zu Boden hat gedrückt.
Scheints uns gleich wunderlich, daß sie plötzlich entnommen
den Jahren ihrer Zeit und daß sie umgekommen
in einem Wolckenbruch und großen Wasser-Noth;
So wissen wir, daß dies gethan der große Gott.
Dem müsset ihr Euch nun Betrübteste ergeben,
und seinem Heilgen Rath anitz nicht wiederstreben.
Hat er ein Hartes gleich Euch schmertzlich zugehäufft,
so daß die Augenlust im Wasser ist ersäuffet.
Habt ihr die selbige vor Euch gleich nicht sehen sterben,
und mußt ihr Leib auch hier in Wasser-Noth verderben.
So sind die Seelen nun in Christi Reich geführet,
allwo sie keine Noth noch Ungestüm mehr rühret.
Gott hat bei diesem Fall uns alle wollen lehren,
wie wir uns alle Tag durch Buß zu ihm bekehren.
Weil uns des Todtes-Art und Stundt ist unbewußt,
und wie vergänglich sey des Lebens beste Lust.
Drum so erkennet nun des Höchsten Rath und Wille,
dem haltet mit Geduld in Euren Schmertzen stille.
Nehmt Euch ihr andern auch Hüterin Exempel dran,
und sehet was Gott bald mit ihm machen kann.
Die Selgen, welche hier beständig fromm gewesen,
die sind der Seelen nach nun ewiglich gewesen.
Folget ihren Tugenden und Lebenswandel nach,
so schaut ihr keinen Todt und auch kein Ungemach.
Die Leiber sind nunmehr zu ihrer Ruh gekommen,
da sie dem Wasser sind beraubet und entnommen.
Laßt sie nunmehro ruhn, Gott tröste Euch im Leiden,
und gebet Euch darein in dieses Herbe Scheiden.
Legt mit Gelassenheit die Hand auf Eurem Mund,
ja Er erhalte Euch bey diesem Fall gesund.
Scheints gleich als ob Euch Gott anitzo hab verlassen,
so wird er dennoch Euch mit seinem Trost umfassen.
Gott schlägt, Er heilet auch nach seiner Vater-Treu,
und bey dem Creutzes-Kelch setzt Er den Necktar bey.
Vertrauet Eurem Gott auf allen Euren Wegen,
so wird Er auch darbey mit seiner Huld und Seegen
sich der Verlassenen in Gnaden nehmen an,
wie Er zu ieder Zeit Betrübten hat gethan.
Ist nun zu großen Schmertz das Hertze uns zerrissen,
da zwey Kirch-Kinder wir bei dem Unglück vermissen.
So geb Gott uns Geduld, und steh uns ferner bey,
damit nicht weiterhin gehöret ward Geschrey.
welches den 15. Mai als Donnerstag vor Pfingsten Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr bei entstandenen schweren, zornigen, auch lang anhaltenden Gewittern, wie auch bei gefallenem Wolckenbruch am Ende des Obern Dorffs entstanden ist. Dabei sind alleine 2 Häuser und Scheunen völlig weggerissen worden, 10 Häuser wurden beschädigt und die Stuben ruiniert, Gärten, Wiesen, Felder und Saat verderbet. Und überhaupt hat diese Flut einen Stein-Hauffen aus hiesiger Gemeinde und dem Dorffe gemacht!

Begraben habe ich daher Maria Magdalena Mann, welche in Abwesenheit ihres Lieben Ehe-Mannes und der Kinder aus ihrem Wohnhause durch die Wasser-Fluth hinweggerissen und jämmerlicher Weise hat ertrincken müssen. Sie ist auch mit dem Wasser faßt bis zum Ende des Nieder Dorffes, und zwar biß in George Breyers, Loh-Müllers und Häuslers allhier, Garten mit vielen Schutt getrieben worden. Allwo sie nach fleißigem Suchen mit großen Schrecken den 16. als Freitags Vormittags gefunden, aber erst den 17. als den Pfingst-Heil.-Abend Zu mittage auf Verordnung von dem hiesiegen Gerichte aufgehoben werden konnte. Es wär kein Wunder geschehen, wenn sie Stückweise und gäntzlich zerrissen wär gefunden worden, aber so war sie doch noch ganz Vollkommen, obgleich verletztet und bestoßen, Sie wurde in den Sarg von frommen und guthseligen Leuten gekleidet und beschicket. Alsdann am anderen Pfingsfeyertage wurde sie auf den Feldern hinter dem Dorffe heraufgetragen und vor der Schule bey Johann Christoph Ullmanns, begüterten Bauers und Landfuhrmanns Hause angenommen. Und schließlich Christlicher Weise unter Anwesendheit einer ansehnlichen Menge Volks, deren Freunde und Einheimischen, will sagen 1.200 Personen, beerdigt.

Nun haben wir aber noch ein dergleichen grausiges Exempel fortzusetzen von einer Jungfrau, die mit der Vorherstehenden gleicher Weise elendiglich geblieben. Es ist eine Haußgenossin, welche mit ihrer Wirthin gleicher Weise an eben diesem Tage bey dem gefallenen Wolckenbruch jämmerlicher Weise ertruncken. Von der Fluth wurde sie getrieben bis unter Adam Christoph Glaeßers, Mäurers und Häußlers allhier Garten, allwo sie von den anwesenden Volk erblicket, und gleich herausgezogen wurde. Von den Gerichten allhier wurde sie aufgehoben und in Johann Christoph Martins, selig gewesenen Huf-Schmidts, Schuppen gesetzet und aufgebahret. Von wo sie auch an dem Anderen Heiligen Pfingst Feiertage Nachmittags von der Schule abgeholt, und mit ihrer gewesenen Haus Wirthin, der Fleischerin, Christlicher Weise beerdigt worden

Leider hat man kein Tauffzeugnis von derselbigen bekommen können. Ansonsten weiß man von dieser seligen Jungfer Lebens-Wandel Folgendes: So lange sie sich hier aufgehalten hat, ist sie von einer Frau, die vorigen Jahres den 2. Sept. begraben worden, erzogen worden. So ist ihr alles guthe nachzusagen. Sie war in ihrem Christenthum wohl erfahren, eine fleißige Kirchengängerin und Betherin, und hat kümmerlich ihr Brod am Spinn-Rad Verdienen und erwerben müssen.

Die Leichen-Predigt hat der hiesige Pastor gehalten, die Abdanckung aber dessen Sohn, M. C. S. Lieberwirth, Rev. Min. Candiat. Da war die Kirche allhier so voll Volks, wie dergleichen noch niemahls geschehen! Meisten theils waren es Fremde, die von vielen Orten waren hierhergekommen, und wenn das Wetter nicht so unfreundlich gewesen wäre, wäre ihrer noch macher gewesen. Gott stehe uns in Gnaden fürder bey, und bewahre hiesige Christliche Gemeinde für dergleichen Unglücks-Fällen.

Die Grab- und Trost-Schrifft, welche bey diesem Cahn extraordinario von dem Parentatore Verfertiget, und nach gehaltener Parentation unter vielen Vergossenen Thränen abgelesen, auch von vielen abgeschrieben und weitergegeben worden, war desInnhalts wie nebenstehend.

NT. (Die Leichen-Gebühren sind geschenckt worden.)