Krumhermersdorf Literatur
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Brücke

Johannes Arnold
Wenn das Weibel sein Wetterhaus verläßt ...


Text: Johannes Arnold, Zeichnung: Heini Scheffler
Freie Presse Kreis Zschopau, Beilage "heute für morgen" um 1983 ... 84

Wie es sich für ein richtiges Dorf gehört, hat Krumhermersdorf einen Dorfbach. Er wäre nicht erwähnenswert, wenn sein Wasser sich nicht 1890 aufgemacht hätte zu einer Hochwasserkatastrophe und acht Jahre später gleich noch einmal. Im Quellgebiet des Baches war der Wald abgeholzt worden, wofür sich das Wasser rächte.

Der Dorfbach ist aber auch aus einem anderen Grund erwähnenswert, denn immerhin plätschert er von der Quelle durch den Ort bis hinunter In die Zschopau zwischen Zschopau und Waldkirchen über reichliche dreihundert Meter Höhenunterschied, was ihm auf so kurzer Strecke so leicht kein anderer Dorfbach nachmacht.

Vor fünfhundertfünfzig Jahren hieß der Ort Hermsdorf, aber schon 1567 ließ Kurfürst August I. in einer Urkunde Krummen-Hermsdorf schreiben, wahrscheinlich, damit es mit keinem anderen Ort verwechselt werden sollte, und krumm zieht es sich ja tatsächlich talwärts. Die Urkunde besagte, daß August, der sich gerade mit Plänen zum Bau der Augustusburg trug, Krumhermersdorf seinem Busenfreund Cornelius von Rüxleben übereignete, der es allerdings verlor, als er bei seinem Herrn in Ungnade fiel und nach dreizehnjähriger Haft In der Pleißenburg verstarb.

Krumhermersdorf wurde bekannt als Ort, in dem die Strumpfwirkerei zu Hause ist. Heutzutage reisen Badelustige ins Krumhermersdorf er Freibad, und die Bauern nutzen die steilen Hänge als Viehweiden für die Rinder ihrer Genossenschaft "Vereinte Kraft".

Alles in allem genommen, gibt es in Krumhermersdorf nicht mehr zu sehen als ein sauberes Dorf, in dem es sich gut spazieren läßt, in dem man einen Sommerurlaub verbringen möchte oder das Frühjahr erleben, wenn oben noch Schnee liegt und unten schon die Schneeglöckchen blühen. Eigentlich Ist das schon genug, aber In Krumhermersdorf wird auch Wetter gemacht, richtiges Wetter!

Nämlich wohnt ganz unten im Ort, im letzten Haus, der Werner Endler. Er Ist sozusagen der Wettermacher. Nicht nur für Krumhermersdorf, sondern auch für Franzosen, Schweden und Finnen, Jugoslawen und Ungarn. Wird es Regen geben, kann er es ungarisch sagen: "Esö", und wird es nicht ganz so und nicht ganz so, also veränderlich, teilt er mit: "Valtozo". Lieber aber redet er, wie man in Krumhermersdorf redet, und da sagt er einfach: "Wenn das Weibel draußen ist, wird's schön, wenn das Männel draußen ist, gibt‘s Regen."

Warum ausgerechnet immer der Mann vor die Tür muß, wenn es regnen wird, ist nicht herauszufinden. Die Frau vor der Tür bei Sonnenschein ist schon eher verständlich: Sie war gerade beim Friseur ...

Werner Endler baut Wetterhäuschen.

In der Werkstatt wird geschnitten und gestanzt und gesägt, man kann zusehen, wie die Häuser wachsen und gedeckt werden, wie die Grünanlagen aus Sebnitzer Blumen gedeihen und In den Blumenkästen vor den Wetterhäuschenfenstern sich die Blüten öffnen. Durch den Schornstein jedes Hauses wird der 13 Zentimeter lange Darm gefädelt, woran Männel und Weibel hängen und aus der Tür treten, sobald die Luftfeuchtigkeit zunimmt oder abnimmt. Wie gesagt, der Mann muß immer aus dem Haus, wenn es regnen wird.

Ein Haus ist schnell rohbaufertig; verputzt und wohnlich ausgestaltet und ansehbar gemacht, wird es von den Frauen, die ihren Arbeitsplatz im Obergeschoß haben, mit einem wunderschönen Ausblick auf das Tal mit dem Dorfbach und den Hängen dahinter.

Die Frauen leimen die Seiffener Weibeln und Männeln auf, montieren den Hirschkopf aus Thüringen an den Hausgiebel, das Minithermometer an die Hauswand, die Firste und Traufen werden mit Borten aus Burgstädt beklebt, und schon kann das Haus an eine Außenwand des Zimmers gehängt werden, damit uns die Männeln zeigen können, wie das Wetter wird. Vorher sind die fünf verschiedenen Treppenhäuser gestrichen und geputzt worden mit Graphitflocken, was ihnen ein schönes Aussehen gibt.

Seit 1954 gehen Endlersche Wetterhäuschen auf die Reise. Ein paar hunderttausend Stück werden Tag für Tag von ihren Besitzern nach dem Wetter befragt. Gegen ein Wetterhaus aus Krumhermersdorf kann die Fernsehwetterkarte überhaupt nichts ausrichten.

Als ich die Wetterfrauen bei ihrer Arbeit beobachtete, war weit und breit kein Männel vor der Tür. Kein Wunder, es schien die hellste Sonne dieses Herbstes, weswegen die Wetterfrauen allerbester Laune waren.