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Brücke

Manfred Blechschmidt
Reich gedeckte Kaffeetafel am Kirmestag


Freie Presse 4.10.2002

Zum Beginn der Getreideernte legte der Bauer zwei Garben kreuzweise an den Feldrand, um sich damit Segen ins Haus zu holen. Aus den schönsten Ahrenhalmen entstand ein Erntekranz, der im Hausflur ein Jahr lang seinen Ehrenplatz fand, bis ein neuer Erntekranz ihn ablöste.

Helfer hatten während der Kartoffelernte die größten Knollen ausgesondert, die sie der Bäuerin zum Ernteabschluss feierlich überreichten. Ab Michaelis (29. September) war frei hüten, nun durfte das Vieh grasen, wo es wollte, ungeachtet, wem das Land gehörte. In den grenznahen Dörfern nannte man Michaelis und Hieronymus (30. September) die "Brotvettern". Zu diesem Zeitpunkt wollten die Bauern die Kartoffeln gerodet und das Korn gesät haben.

Früher war in den hiesigen Gebirgsdörfern kein anderes Fest aufwändiger als die Kirmes. Nun wusste man die Ernte unter Dach und Fach, und die Arbeit drängte nicht mehr. Im westlichen Erzgebirge beginnt die Kirchweihzeit Ende September mit der Kirmes von Breitenbrunn und endet mit der von Bockau, "drei Tage vor dem ersten Schnee". Dann wurden Erntehelfer und Dienstboten reichlich mit Kuchen und Bier versorgt.

Tags zuvor begann die Hausmutter mit Scheuern und Putzen, neues Papier in den Küchenschrank zu legen, Tassen und Teller zu waschen, die Betten frisch zu beziehen, neuwaschenes Fensterzeug aufzuhängen und den Garten nochmals durchzujäten. Indessen der Hausvater schnell noch das Vorhäuschen streicht, das letzte Winterholz auf den Boden schafft sowie Hof und Straße kehrt. Denn wenn die Kirmesgäste kommen, sollte alles in Ordnung sein. Und sie kamen in Scharen. Zur Kirmes besuchte man sich gegenseitig und lässt alte Freundschaften wieder aufleben.

Gewöhnlich trug die Hausmutter ihre Zutaten zum Bäcker, um sich den Kuchen ausbacken zu lassen: Pflaumen-, Apfel-, Streusel-, Quark-und Schokoladenkuchen. Reichlich wurde gebacken, denn was die Gäste an der Kirmestafel nicht verzehrten, bekamen sie als Paket mit nach Hause. Denn der Kuchen und die Kaffeetafel waren der Mittelpunkt des Kirmessonntags. Im Vogtland heißt es: "De Kerwe soll kumme vun Kirchweihfest her, kaa Mensch denkt zur Kerwe nich an de Kerch mehr, ans Essen un Trinken werd heit ner gedacht, gespielt und gesunge, geolbert, gelacht."

Zur Kirmes gab es drei Tage lang im Dorf Musik und Tanz. Am Kirmessonnabend zogen Kinder und Erwachsene von Haus zu Haus, um sich ihren Kirmeskuchen zu ersingen. Abends war für das junge Volk Tanz. Der Kirmessonntag galt vor allem den Familien. Zum abendlichen Tanz wagten sich auch die Alteren auf das Parkett.

Früher hatten die Kinder am Kirmesmontag schulfrei. Wie sonntags war am Vormittag Predigtgottesdienst. Am Nachmittag zogen Musikanten durchs Dorf. In den Gebirgsdörfern beging man Sonntag nach der Kirmes "Kleinkirmes", das traurige Nachsehen schöner Tage. Bevor die Weihnachtszeit einsetzte, gab es kaum mehr Gelegenheit zum Feiern.