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Eberhard Hösel
Die kursächsischen Postmeilensäulen


Freie Presse Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) 09.02.1991, Lokalseite Zschopau

Die zu Beginn des 18. Jahrhunderts im damaligen Kursachsen aufgerichteten steinernen Postmeilensäulen gehören zu den formschönsten und attraktivsten Europas. Sie haben eine rund 250jährige wechselvolle Geschichte hinter sich, sind einmalige Zeugen der Verkehrsgeschichte unseres Landes und stehen deshalb unter Denkmalschutz. Die Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen hat es sich zur Aufgabe gemacht, die noch vorhandenen Säulen in Zusammenarbeit mit den Kommunen unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten zu betreuen, nach weiteren Säulen oder Säulenteilen zu suchen und durch die Erforschung von Einzelheiten tiefer in die Post- und Verkehrsgeschichte einzudringen.

Ausgangs des 17. Jahrhunderts gab es noch keine Straßen im heutigen Sinne (1). August der Starke, der sächsische Kurfürst, erkannte mit Weitblick die Vorteile eines gut ausgebauten und vermessenen Straßennetzes. Schon 1712 beauftragte er Adam Friedrich Zürner, damals Pfarrer in Skassa bei Großenhain, mit der kartographischen Erfassung und 1713 mit der Poststraßenvermessung im gesamten sächsischen Kurfürstentum.

Am 19. September 1721 erließ der Kurfürst ein Mandat zur Setzung steinerner Postmeilensäulen. Gleichzeitig avancierte Zürner zum Hofgeographen und wurde beauftragt, alle mit der Aufstellung der Säulen im Zusammenhang stehenden Probleme zu regeln. Zur Straßenvermessung bediente sich Zürner eines von zwei Pferden gezogenen "geometrischen Wagens". Die zurückgelegte Strecke konnte im Inneren des Wagens an einem Zählwerk abgelesen werden. In den Jahren von 1716 bis 1736 legte Zürner mit seinem Vermessungswagen die enorme Strecke von ca. 18.000 kursächsischen Postmeilen zurück. Das entspricht etwa einer dreimaligen Erdumkreisung bzw. einer jährlichen Durchschnittsleistung von fast 10.000 Kilometern.

Grundlage der kursächsichen Postmeile war entsprechend dem damals gültigen Maßsystem die Dresdner Rute (4,531 Meter). 2.000 Ruten waren eine Postmeile (nach heutigem Maßsystem 9,062 Kilometer). Die von Zürner ermittelten Entfernungen wurden auf den Postmeilensäulen in Stunden (St.) angegeben. Diese Stunden sind reine Entfernungs- und keine Zeitangaben. Danach entspricht eine Stunde einer Entfernung von 1.000 Ruten = ½ Postmeile (4,531 Kilometer). Diese Stunden haben also mit der heutigen Zeitbezeichnung nichts zu tun und waren keine Fahrzeiten der Postkutsche. Nach den Festlegungen Zürners waren vier Arten von Säulen aufzustellen. Große, wappengeschmückte Distanzsäulen vor den Toren und auf den Märkten der Städte. Diese hatten zahlreiche Orts- und Entfernungsangaben in Stunden und gaben eine umfassende Information über die von einer Stadt ausgehenden Straßen und Postkurse. Drei kleinere, schlichtere Säulenarten standen im Abstand von jeweils einer Viertelmeile an allen wichtigen Straßen Kursachsens. Für den Reisenden in der Postkutsche war es eine Orientierung, wie weit er vorwärts gekommen war. Nach der ersten Viertelmeile wurde ein Viertelmeilenstein aufgestellt. Nach einer weiteren Viertelmeile folgte eine Halbmeilensäule, nach der nächsten Viertelmeile wieder ein Viertelmeilenstein und dann eine Ganzmeilensäule.

Im Erzgebirge und auch im Kreis Zschopau gibt es erfreulicherweise noch eine große Anzahl dieser Säuen, die an den alten Poststraßen standen. Von Chemnitz, als Kreuzungspunkt vieler Poststraßen, führte eine Poststraße über Zschopau - Marienberg - Reitzenhain nach Böhmen; eine andere über Burkhardtsdorf - Thum - Annaberg - Oberwiesenthal nach Böhmen. In den genannten Orten sind die Postmeilensäulen noch vorhanden.

In Zschopau wurde erst 1980 - in der Mauer an der unteren Gartenstraße - das Wappenstück einer Zschopauer Distanzsäule gefunden. Es ist geplant, dieses Wappenstück zu ergänzen und die wiedererstehende Säule an einer würdigen Stelle, möglichst in der Nähe des alten Standortes am Marienberger oder Chemnitzer Tor, wieder aufzustellen. - Es wäre schön, wenn dies wie ursprünglich geplant, bis zum Stadtjubiläum 1992 erfolgen könnte.


  1. Natürlich gab es damals noch keine asphaltierte Autobahn! Trotzdem fuhr man auf Straßen seit Urzeiten; und nicht erst seit der Wende ...