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Dreigespann der Tafel
Aus Messer, Gabel und Löffel wurde erst in etlichen Jahrhunderten das Eßbesteck


Bernt Karger-Decker: in Deutsche Bauernzeitung Berlin (Ost) 27/1986 S.22

Obwohl das aus Messer, Gabel und Löffel bestehende Eßbesteck erst seit etwa zwei Jahrhunderten zur Mahlzeit aufgelegt wird, existieren seine Bestandteile doch schon sehr viel länger. Als ältestes Gerät gilt der Löffel, zu dem den Urmenschen die Hand angeregt haben könnte. Mit ihr ließ sich Wasser schöpfen und das erquickende Naß "laffen", was soviel wie "schlürfen" bedeutet. (Hier dürfte auch die Bezeichnung ihren Ursprung haben.) Dem gleichen Zweck dienten Muschelklappen, Kürbisschalen und ähnliches. In der Steinzeit dann begannen unsere Vorfahren, Löffel aus Eberzähnen, Hirschgeweihen, Knochen, Holz, Ton und anderen Rohstoffen herzustellen.

Während der Antike wurden erstmalig solche Instrumente aus Metall, zumeist aus Bronze, gelegentlich auch aus Silber und Elfenbein, produziert. Die Griechen benutzten sie ausschließlich, um Brühe aufzunehmen. Die Römer verfügten darüber hinaus bereits über spezielle Eier- und Kochlöffel. Sie ersetzten auch die ursprünglich schwerfällige runde durch die mundgerechte ovale Form.

Bevor der Löffel im 16. Jahrhundert Allgemeingut wurde, war er ein Luxusartikel. Welche Seltenheit er bedeutet hat, beweist das Schatzverzeichnis des Bischofs Ulrich von Freundsberg aus dem Jahre 1493, das nur drei aufführt. Von ihnen war "ainer aus Perlmutter, der ander von einer Schnegge, der dritte serpentin" (ein Mineral).

Phantasievoll wie das Schöpfteil wußten die Kunsthandwerker und Goldschmiede auch die Stiele zu dekorieren. Sie drehten diese, versahen sie mit ornamentalem Schmuck, bekrönten sie mit einem Zierknauf, einer Kugel oder Kleinplastiken. Den langstieligen Löffel soll Katharina von Medici in Frankreich eingeführt haben, um die feinen Halskrausen und Spitzenkragen, welche die elegante Welt damals trug, beim Mahle vor Flecken zu schützen. Um das 18. Jahrhundert kamen vornehmlich in England und den Niederlanden zierliche Löffel aus Porzellan auf. Für das arbeitende Volk waren sie weiterhin gewöhnlich aus Holz.

Das Messer kannten unsere Vorfahren auch, obwohl jahrtausendelang nicht als Tischbesteck. Da sie von der Gabel gleichfalls noch nichts wußten, speisten sie mit den Fingern. Deshalb standen stets Krüge mit Wasser bereit, um die Hände abspülen zu können.

Messer wurden aus Knochen, Muscheln, Hartholz und vor allem aus Feuerstein hergestellt, lange bevor der Mensch gelernt hatte, Metalle zu verarbeiten. Vielfältig geformte Feuersteinmesser dienten als Jagdwaffen und Werkzeuge oder wurden bei Kulthandlungen benutzt.

Erst als die Bronze aufkam, konnten die Klingen leicht s-förmig gebogen und mit phantasievoll gefertigtem Griff versehen werden. Nunmehr fand das Gerät Eingang in die Küche, wo es der Koch zunächst nur benutzte, um Fleisch zu zerlegen.

Bei festlichem Gastmahl fiel dies einem Vorschneider zu. Anfang des 17. Jahrhunderts arbeiteten an Fürstenhöfen Tranchiermeister, für die sogar Lehrbücher gedruckt wurden. Denn es gehörten viel Übung und Geschick dazu, einen Kalbskopf, einen Truthahn oder ein Spanferkel fehlerfrei zu zerteilen und trotzdem als zusammenhängendes Ganzes darzubieten.

Um die kostbaren Zinn- und Ebenholzteller nicht zu beschädigen, legte man sein Bratenstück auf eigens dafür gebackene Brotscheiben, die den Fleischsaft aufsogen. Diese Schnitten hießen "pain de tranchoir" (Tranchierbrot). Da es als unschicklich galt, sie mit zu verspeisen, wurden sie in große "Almosenkörbe" für die Armen geworfen. Abfällig bezeichnete man jene Tischreste als "Dessert", woraus später der Begriff für den Nachtisch entstand.

Verständlicherweise wollten die reichen Bürger dem Adel hinsichtlich solchen Tafelluxus nicht nachstehen. Allerdings hatte so mancher Eßlustige seine liebe Not, das Messer richtig zu handhaben. Nicht ohne Grund riet ein Anstandsbuch seinen Lesern, weder mit den Fingern auf den Rücke der Klinge zu drücken noch das Messer als Zahnstocher zu benutzen. Allgemein üblich war das Gerät ebenso wie die Gabel erst ausgangs des 18 Jahrhunderts.

Die erste Kunde über letztere stammt aus dem 13. Jahrhundert. Die Damen und ihre Galane an italienischen Fürstenhöfen spießten damit insbesondere Konfekt und Beerenfrüchte auf. Von der Apenninenhalbinsel verbreitete sie sich allmählich über ganz Europa. Heinrich III. von Frankreich wird nachgerühmt, die Gabel durch einen Erlaß hoffähig gemacht zu haben. Nach und nach wurde die zweizinkige von der drei- und der vierzinkigen abgelöst. Ende des 18. Jahrhunderts begann sie sich auch die bürgerlichen Kreise zu erobern. Nachdem es seit 1842 möglich war, eiserne Gabeln auszuwalzen, wurde sie zum Volksgut.