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Studienrat Arno Lange
Besitz-, Berufs- und Amtsbezeichnungen sächsischer Bauern


Mitteilungen des Roland, 21. Jahrgang, Heft 6, November/Dezember 1936
als PDF verfügbar bei Familienarchiv Papstdorf

Die für viele Kreise unserer Volksgenossen bestehende Verpflichtung zum Nachweise der arischen Abstammung ist für so manche wohl der erste Anlaß gewesen, sich etwas um ihre Vorfahren zu kümmern. Sie erfuhren dabei vielleicht zum erstenmal, daß sie von "Nachbarn", "Pferdnern", "Gärtnern", "Hintersässern", "Bauherrn" usw. abstammten und wußten nicht recht -wie immerwiederkehrende Anfragen in den Tageszeitungen zeigen -, was sie mit diesen und ähnlichen Bezeichnungen anfangen sollten. Da auch sonst, und zwar selbst bei erfahreneren Forschern nicht immer volle Klarheit über die fraglichen Begriffe herrscht, erscheint es angebracht, das Wichtigste darüber einmal kurz zusammenzufassen.

Die nachfolgenden Bemerkungen über den Gegenstand fußen so gut wie ausschließlich auf Beobachtungen, die ich im Laufe der Jahre bei meiner systematischen Güterforschung in Akten des Hauptstaatsarchivs und auf Amtsgerichten und bei Bearbeitung meiner Ahnentafel in Kirchenbüchern gemacht habe - das ist vielleicht ihr Vorteil - und, da sich meine Erhebungen im wesentlichen nur auf das Gebiete des mittleren Mulden - und Zschopaulandes im Bereiche der alten sächsischen Ämter Colditz, Leisnig und Rochlitz, teilweise auch Borna, Grimma, Altenburg und Penig erstreckt haben, zugleich ihr Nachteil, insofern nämlich, als das Gebiet räumlich immerhin beschränkt ist. Ich bitte diesen Mangel einstweilen in Kauf zu nehmen: wenn einmal, was hoffentlich geschieht, auch für andere geschlossene Gebiete unseres engeren Vaterlandes umfangreichere Feststellungen ähnlicher Art gemacht und bekannt gegeben werden, wird sich ja herausstellen, was von den hier vertretenen Begriffsbestimmungen auch für weitere Gegenden maßgebend ist und was zu ergänzen bleibt.

Absichtlich habe ich mich nicht darauf beschränkt, die rein bäuerlichen Bezeichnungen zu bringen. Es war ehedem wie heute oder gestern: der Gerber Lehmann ist in der Stadt nur als der Friedensrichter, der Bäcker Heinrich Müller nur als Stadtrat bekannt, und so wird auch der Bauer oft genug weniger unter der ihm zukommenden Berufsbezeichnung als vielmehr in seiner Eigenschaft als Träger irgendeines Nebenamtes aktenkundig: er wird Vormund als "Gerichtsschöppe", steht Gevatter als "Gottesvater" und wird unter Weglassung sogar seines Namens begraben als "der alte Richter". Diese Umstände rechtfertigen, daß wir uns hier auch mit solchen Nebenbezeichnungen der Bauern etwas beschäftigen.

Zunächst aber interessieren uns die mit dem eigentlichen Beruf und dem Besitz des Bauern zusammenhängenden Begriffe. - Der heutige "Bauer" oder "Erbhofbauer" war bis vor kurzem "Gutsbesitzer" und tritt uns in älterer Zeit bis etwa um 1840 in unserem Gebiete hauptsächlich als "Pferdner" oder "Gärtner" entgegen. Wenn man sich, wie es gewöhnlich geschieht, unter einem "Pferdner" den Inhaber eines größeren mit Pferden bewirtschafteten und unter einem "Gärtner" den eines kleineren, ohne Pferde arbeitenden Gutes vorstellt, so stimmt diese Vorstellung mit den tatsächlichen Verhältnissen nur ganz roh überein. Ein paar Beispiele! Das Einhufengut Kat. 82 in Wendishain bei Leisnig gehörte (und gehört wohl noch) zu den größten Gütern des Ortes und war immer Gärtnergut. Mit 120 Steuerschocken war es nach dem Landsteuerregister 473 (HStA) höher belastet als mehrere Pferdnergüter des Dorfes. 1669 nimmt Peter Gotthardt ein wüstes Pferdnergut in Leupahn bei Colditz mit der ausdrücklichen Bedingung an, daß es ihm als Gärtnergut eingeräumt werde1. In Alt-Leisnig, Tragnitz und Schönerstädt bei Leisnig gab es von jeher wohl Güter verschiedener Größe, die aber alle in den Kaufverträgen nur als Gärtnergüter erscheinen. Auf dem Hintersässengut Kat. 21 in Thierbaum bei Colditz wurden schon 1558 zwei Pferde gehalten - auf vielen anderen sicher auch . Die Akten lehren klar und eindeutig: mit der Gutsgröße und Pferdehaltung hat die Unterscheidung der Begriffe "Pferdner" und "Gärtner" an sich nichts zu tun. Sie beziehen sich nur auf Fronleistungen. Der Pferdner hatte die Verpflichtung, seinem Lehnsherrn oder dem Amte Pferdespannfuhren zu leisten, der Gärtner fronte "nur mit der Hand", auch dann, wenn er, was häufig der Fall war, Pferde hielt. - Peter Demmig in Bockwitz bei Colditz beschwert sich 1590 beim dortigen Dingstuhl, daß man ihn auf seinem "Gärtnergütlein" zu Fuhren heranziehen wolle, - hoffentlich mit Erfolg3!

Es ist hier nicht der Ort, auf Entstehung der bäuerlichen Fronverpflichtungen einzugehen. Darüber, wie sie im einzelnen zustande gekommen sind, sind wir ohnehin nur sehr ungenügend unterrichtet. Wenn man natürlich auch von Anfang an vornehmlich größere Güter mit den beschwerlichen Spanndiensten belastete, so scheint jedenfalls auch der Wunsch und das Bedürfnis des jeweiligen Lehnsherrn nach höheren Dienstleistungen eine Rolle gespielt zu haben. Es ist sehr bemerkenswert, daß beispielsweise nach Erbbuch Leißnig 1516 (HStA) in Wallbach bei Leißnig auf Gütern von 7/4 bis herab zu 3/4 Hufen nur Pferdner auftreten; das Dorf war den Herren auf Rittergut Podelwitz zur Fron verpflichtet, denen offenbar an einer möglichst reichlichen Ausnützung auch der kleineren Besitzer gelegen war und die sie daher allesamt zu Pferdnern erhoben hatten, worüber diese wenig erbaut gewesen sein werden. - Der Name "Gärtner" erklärt sich so: als "Garten" bezeichnete man in alter Zeit ganz kleine Gütchen (1/8 Hufe wird gelegentlich angegeben), die mit den späteren "Gärtnergütern" nicht ohne weiteres gleichzusetzen sind. Von diesen "Gärten" leitet sich der Ausdruck "Gärtner" her. Der schon früh auf andere nicht mit Pferden fronende Bauern angewendet wurde.

Mit den Bezeichnungen "Pferdner" und "Gärtner" sind eine Reihe anderer ungefähr gleichen Sinnes. Der Pferdner heißt auch "Pferdefroner" und "Anspanner". Im 19. Jahrhundert wird er erst zum "Pferdnergutsbesitzer" und nach dem Aufhören der Frondienste zugleich mit dem Gärtner zum "Gutsbesitzer". Sein Gut ist das "Pferdnergut", "Pferdegut", "Pferdefrongut", "Erbpferdner-gut" oder "Anspannergut". Die Bezeichnung "Großpferdnergut" ist mir bisher nur einmal begegnet (Steina bei Hartha, Kat. 16/18)4.

Auch unter einem "Bauerngut" hat man sich in älterer Zeit gewöhnlich ein Pferdnergut vorzustellen. Der Gärtner war nicht "Bauer" in diesem Sinne. Im Reichserbhofgesetze, nach dem das Recht zum Führen der Bezeichnung "Bauer" an ein gewisses Mindestmaß landwirtschaftlichen Besitzes geknüpft ist, lebt die alte Bedeutung des Begriffes gewissermaßen wieder auf. Aus Thammenhain bei Würzen5 kenne ich aus dem 18. Jahrhundert die Bezeichnung "Großbauer", ohne etwas anderes darüber sagen zu können, als daß mir das Wort bereits für 1547 aus Zeschwitz bei Leisnig als Familienname eines Bauern entgegengetreten ist6. Anderwärts übliche Bezeichnungen, die sich auf die Gutsgröße beziehen, wie Hüfner, Halbhüfner, Viertier kommen in unserm Gebiet ebenfalls nur vereinzelt vor. Der Begriff des "Rittergutes" bedarf hier keiner Erörterung. Mit Frondiensten nicht belastete hießen "Freigüter", ihre Inhaber "Freigutsbesitzer". Ihr Ursprung ist verschiedener Art. Ein Freigut in Zschadraß bei Colditz war vorher "Mannslehngut"; das Freigut Hasenberg bei Leisnig ist wohl aus einem "Vorwerk" hervorgegangen. 1593 erhielt der Leisniger Amtsschösser Pfeffer für sich und seine Nachbesitzer Befreiung von allen Fronen auf sein Pferdnergut in Gersdorf. Das Gut wird dann in späteren Kaufakten als "Freigut" oder als "dienstfreies Pferdnergut" geführt7. Der Fall, daß ein mit Lehnsgerechtigkeiten ausgestattetes Rittergut als Freigut genannt wird, ist uns aus Hohnbach bei Colditz bekannt . Die Bezeichnungen "Hintersässer" und "Gärtner" bedeuten praktisch fast immer dasselbe. Es lassen sich zahlreiche Belege dafür beibringen, daß ein Gut sowohl als Gärtnergut wie als Hintersässergut auftritt. Hintersässer oder Hintersassen sind ursprünglich nicht vollberechtigte Gemeindemitglieder gewesen, deren durchschnittlich kleinere Güter unter Vorbehalt gewisser Rechte wohl durch Abtrennung einzelner Flurstücke von größeren Gütern gebildet worden sein mögen. Ob indessen alle oder auch nur die Mehrzahl der so bezeichneten Hintersässergüter wirklich so entstanden sind, ist zumindest fraglich. Wahrscheinlicher ist wohl, daß die Bezeichnung "Hintersässergut" von einzelnen auf die erwähnte Art entstandenen Gütchen auch auf andere kleinere, von Anfang an aber selbständige Güter übertragen worden ist.

Daß die Bezeichnungen "Hintersässer" und "Gärtner" anfangs nicht gleichbedeutend waren, geht aus einem an ziemlich versteckter Stelle liegenden Schocksteueregister des Ritterguts Sahlis9 von 1641 hervor, in dem für die Untergemeinde von Langenleuba-Obh. In der Übersicht 20 "Bauern", 7 "Hintersässer" und 8 "Gärtner" als Besitzer aufgeführt werden. Wie sehr jedoch schon damals die Begriffe "Hintersässer" und "Gärtner" ineinander übergingen, zeigt sich darin, daß die dazugehörige Einzelaufstellung der Besitzer nicht 8, sondern 5 Mann als Gärtner nennt. Immerhin läßt sich aus diesem Register schließen, daß der Besitz der Hintersässer im allgemeinen größer als der der Gärtner war. - Örtlich findet sich für das Hintersässergut der Ausdruck "Handgut". Die "Gärtner " erscheinen auch als "Handbauern", "Handfröner" und zuletzt als "Gärtnergutsbesitzer". Die Kleinbauern auf den alten "Gärten" werden um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu "Gartennahrungsbesitzern" und später zu "Wirtschaftsbesitzern". Erwarb sich ein Häusler etwas Ackerland, so war er "feldbegüterter Häusler". Auch er brachte es dann zum "Wirtschaftsbesitzer". In Rittergutsdörfern findet man die Bezeichnung "Dreschgärtner" für manche Kleinbauern. Sie waren vermutlich ursprünglich auf Rittergutsboden angesetzt (in Kötteritzsch bei Colditz saßen 1626 nach Erbbuch Colditz nicht weniger als 9 Dreschgärtner auf Rittergutsgrund) und hatten offenbar ihrem Namen entsprechende Verpflichtungen. - Als Inhaber eines Gutes ist der Bauer auch Gärtner, wie ich ausdrücklich bemerken möchte, Mitglied der "Allgemeinde" und damit "Nachbar", selbst dann, wenn er etwa auswärts wohnte. Hatte jemand zwei Güter, dann war er wohl "doppelter Nachbar". Der "Auszügler", wie wir ihn heute nennen, heißt früher "alter Pferdner", "Altpferdner", "alter Nachbar" usw. Daß übrigens mitunter auch Häusler "Nachbarn" sein konnten, geht klar aus einem Kaufvertrag in Altgeringswalde (Lehn Kloster Geringswalde) von 1587 hervor, in dem Brose Fleischer, Matz Frentzel und Liborius Racke Land von der Gemeinde zum Hausbau erwerben, wobei gesagt wird: "sie sollen auch allenthalben wie andere Nachbar an der Gemeinde teil haben"10.

Als reine Berufsbezeichnung des Landwirts kam um die Mitte des 19. Jahrhunderts das Wort "Ökonom" auf ("praktiver Ökonomiker" bei Fritz Reuter!), das in den zahlreichen "ökonomischen Vereinen" und "ökonomischen Gesellschaften" lange Bestand gehabt hat.

Noch ein Wort über die Gehilfen des Bauern! Nicht nur auf Rittergütern sondern auch auf größeren Bauerngütern kommen "Hofmeister" vor. Der Bedeutung nach deckt sich der Begriff ungefähr mit dem eines heutigen "Gutsinspektors", der den Bauern bei der Leitung des Betriebes unterstützt oder vertritt. Der "Großknecht" der letztvergangenen Zeit war der "Schirrmeister", dem die Überwachung der Gespanne mit oblag. Erwähnenswert ist die "Käsemutter", die es auf den meisten Rittergütern gegeben zu haben scheint, wo sie eine Beschäftigung hatte, auf die ihr Name hinweist. In pfarr- und standesamtlichen Urkunden aus jüngerer Zeit lesen wir von "Wirtschaftsgehilfen" und -gehilfinnen. Damit sind meist Bauernsöhne und -töchter gemeint, die auf dem väterlichen oder auch auf einem anderen Gut tätig sind. Erst nach dem Kriege sind diese Bezeichnungen auch für das sonstige Gesinde des Bauern üblich geworden. - Eine besondere Stellung nehmen die "Schafmeister" ein, die mit den gewöhnlichen Schäfern nicht verwechselt werden dürfen. Diese Leute gehörten im allgemeinen recht berufstreuen Familien an, waren auf größeren Ritterguts- und Vorwerksschäfereien meist gegen eine gewisse Beteiligung an den Erträgnissen der Schafhaltung angestellt und brachten es gelegentlich zu beachtlichem Wohlstand11. 1621 wird ein Meister Hans Colditz "Hüter" zu Sahlis genannt. Vermutlich war auch er Schafmeister . Der angehende Schafmeister hieß "Meisterknecht". Den Gemeindehirten nannte man in unserer Gegend ganz allgemein "Hutmann". Er wohnte gewöhnlich im "Hirtenhause", manchmal auch reihum bei den Bauern, je nachdem die "Hirtenzeche" an den einzelnen kam.

Schon frühzeitig hatte der Bauer neben seinem Berufe gewisse Ämter innerhalb der Gemeinde oder des Amtes zu versehen. Jedes Dorf hat heute seinen "Bürgermeister", hatte vordem seinen "Gemeindevorstand" ("Schulzen" hat es in dem von mir bearbeiteten Gebiete nie gegeben!) und noch früher den "Richter". Bei dieser Aufzählung ist freilich etwas nicht in Ordnung: Bürgermeister und Gemeindevorstand vertreten die ganze Gemeinde dem Staate (der Amtshauptmannschaft) gegenüber, der Richter hingegen sitzt zunächst einmal wirklich beim Dingstuhl mit zu Gericht und dann ist er Mittelsperson nur zwischen Untertanen und Lehnsherrn. Da es nun vorkam, daß sich mehrere Lehnsherrn in ein Dorf teilten, darf man sich nicht wundern, wenn man gleichzeitig mehrere Bauern als Richter für einen Ort angegeben findet. So hatte z.B. Hohnbach bei Colditz neben seinem "Amtsrichter", der die Lehnsleute des Amtes Colditz vertrat, noch einen "Podelwitzer Richter"; in Seifersdorf bei Geithain gab es einen "Einsiedelischen" und einen "Naumannischen" Richter, die jeweils Mittelsperson für die Herren v. Einsiedel auf Syhra und den Lehnsherrn Naumann auf Ossa waren. Über das Richteramt in meinem Heimatdorfe Raschütz bei Colditz besagt das Amtserbbuch Colditz von 1626: "Das Ambt Colditz hat Macht, in diesem Dorfe einen Richter zue ordnen, so haben auch die anderen beyden Erbherrn einen Richter zugleich"13. Es wäre falsch, wenn man aus der Tatsache, daß jemand Richter in einem Dorfe war, ohne weiteres auf eine geistige Überlegenheit anderen Bauern gegenüber schließen wollte. Wir müssen uns versagen, auf Einzelheiten über die Bestallung der Richter hier einzugehen und erwähnen nur, daß auch in unserm Gebiete Güter vorkommen, mit deren Besitz das Richteramt verbunden war. - "Erbrichter" werden ihre Inhaber aber gleichwohl nur ausnahmsweise einmal genannt. In manchen Dörfern, wie es scheint in solchen ohne Dingstuhl, gab es keinen Richter. Seine Stelle vertrat ein sogen. "Heimbürge". Von Kleinsermuth bei Colditz heißt es 1626: Das Ambt Colditz ordnet in diesem Dorf einen Heimbürgen nach Gefallen, der eines Richters Stelle vertreten muß"14. Das Kloster Buch hielt für die drei Dörfer Lastau, Kralapp und Rüx bei Colditz nur einen Richter am Sitze des Dingstuhls in Lastau.

Neben den Dorfrichtern gab es z.B. im Amt Leisnig die "Viererrichter", die ihren Namen daher hatten, daß es deren gleichzeitig immer vier gab, die den einzelnen Vierteln des Amts vorstanden Zu ihren Obliegenheiten gehörte u.a. die "Aufacht" über die Herrschaftswagen15. Auch für das Amt Rochlitz sind Amtsviertel und "Viertelsrichter" mehrfach bezeugt16. Im Amt Colditz treten an ihrer Stelle die sieben "Hufenrichter" auf. Ihre Hauptaufgabe war die Überwachung des Eingangs der sogen. Hufengelder, einer nach Hafer bemessenene Abgabe an das Amt. Als wichtige Amtspersonen wurden sie zu allerhand Amtshandlungen zugezogen, mußten z.B. 1746 den neu zu Colditz errichteten Galgen besichtigen17 - im Bericht darüber werden alle sieben namentlich aufgezählt - und spielten eine Rolle als Mittelspersonen der Bauern bei Verhandlungen über Fronleistungen. Wir finden sie erst nach 1600 erwähnt. - Das höchste Amt, das einen Bauern übertragen werden konnte, war das des "Landrichters", der nicht nur beim jährlichen Landgericht, sondern auch sonst bei Beurkundungen, Besichtigungen, wichtigen Kaufhandlungen usw. innerhalb des Amtes mitzuwirken hatte. Er übte damit eine ziemlich umfängliche Tätigkeit aus. Die Landrichter waren im Amt Leisnig bis nach 1650 Bauern. Peter Priemer aus Altenhof, mein Ahn, hatte das Landrichteramt von 1547-1576 inne. -Im Amt Colditz treten noch im 19. Jahrhundert Bauern als Landrichter auf (Backofen und Kiesling in Erlbach bei Colditz). Das Kloster Geringswalde unterhielt für sein Gebiet einen besonderen "Klosterlandrichter" - alle mir bekannt gewordenen Klosterlandrichter sind Bauern gewesen.. Die Hufenrichter und Landrichter waren ziemlich angesehene Leute. Jedenfalls werden sie viel früher in Akten als andere Bauern als "Ehrn" oder "Herr" bezeichnet. Hervorzuheben ist, daß nicht etwa nur Pferdner, sondern ebenso gut auch Gärtner Richter sein konnten. Der Landrichter Peter Priemer hatte ein Gärtnergut; die alte, heute noch auf ihrem Gärtnergut in Hohnbach bei Colditz sitzende Bauernfamilie Augustin stellte in mehreren Generationen Amts- und Hufenrichter. Um 1516 ruhte auf einem Halbhufengute in Minkmitz bei Leisnig, das damals mein Ahn Greger Tham als Handfroner besaß, das Schöppenamt18. Um das also nachzuholen: der Gärtner war durchaus nicht schlechthin ein Bauer minderen Ansehens! Und wenn ich mir hier gleich noch eine Nebenbemerkung gestatten darf: der Bauer überhaupt war in unserer Gegend schon im 16. und 17. Jahrhundert nicht der mißachtete und sozial niedrig stehende Mann, als den ihn wohl mancher ansieht. Hörigkeit im eigentlichen Sinne gab es bei uns nicht. Einen "Bauernkrieg" zu machen haben unsere Vorfahren auf den mittelsächsischen Dörfern nicht Ursache genug gehabt. Sie treten in Rechtsstreitigkeiten und Kaufhandlungen mit Adligen als gleichwertige Kontrahenten auf. Daß man ihnen immerhin verantwortungsreiche Ämter übertrug, sagt ja wohl an sich genug!

Die "Gerichtsschöppen", auf Dörfern so gut wie ausnahmslos naturgemäß Bauern, saßen beim Jahrgericht im Orte eines Dingstuhls "in der Bank" und halfen das Recht finden. Sie wurden im allgemeinen vom Lehnsherrn auf Zeit ernannt und ebenso wie der Richter durch feierlichen Eid verpflichtet, weswegen sie auch als "geschworene Schoppen" Erwähnung finden. Die Eidesformel ist uns in zahlreichen Beispielen erhalten. Auf den Landgerichten saßen "Landschöppen" oder "Amtslandschöppen", die in den Niederschriften des Amts Leisnig z.B. von den Gemeindeschöppen wohl unterschieden werden19. Im Amt Rochlitz war das Amt der Landschöppen an den Besitz bestimmter Güter, der "Amtslandschöppengüter" oder "Saupengüter" gebunden, Aber diese 16 "Saupen", die sich auf mehrere Dörfer verteilten, dabei aber eine Art Gemeinde mit ihren eigenen "Saupenrichter" für sich bildeten, ist von Pfau, Rochlitz, in lesenswerten Abhandlungen eingehend berichtet worden. - Im Bereiche der Herrschaft Gnandstein kommt die Bezeichnung "Testamentsherr" vor, deren genaue Bedeutung noch der Erklärung bedarf. - 1718 wird Martin Ehrlich d.J. in Wendishain als Land-Accis-Einnehmer verpflichtet20. 1693 legen mehrere Bauern des Amts Leisnig, darunter Martin Ehrlich aus Wendishain, den Eid eines Fleischsteuereinnehmers ab21.

Auch die Kirche nahm den Bauern als Amtsträger in Anspruch. Was ein "Kirchenvorsteher" ist, ist bekannt. In katholischer Zeit sprach man ziemlich allgemein von "Altarleuten". Vereinzelt hat sich der Ausdruck noch bis um 1650 gehalten (Langenleuba-Oberhain)22. Ebenfalls vorreformatorischen Ursprungs scheint die etwas merkwürdig klingende Bezeichnung "Gottesvater" zu sein. In Schönerstädt bei Leisnig (Lehn Kloster Geringswalde) kommt 1534 der Gottesvater Nickel Thile vor23. Die Kirchenbücher Roda bei Frohburg und Collmen bei Colditz kennen den Ausdruck noch im 17. Jahrhundert, obwohl sonst auch damals schon die Bezeichnung "Kirchvater" viel üblicher war. In der Colditzer Gegend begegnen wir in Kirchenbüchern öfters "Bauherren" und "Bauvorstehern"24. Das waren Kirchenvorsteher, denen die Betreuung der Bauangelegenheiten der Kirche übertragen war.

Zum Schluß noch ein paar Worte über die Bauern als Handwerker und Gewerbetreibende! -Bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts gab es auf den Dörfern unseres Gebietes vielfach gar keine Häusler. Auch sogen. "Hausgenossen" (= Mieter) waren seltener als heute. Soweit die Ausübung einzelner Handwerke nicht den Zünften benachbarter Städte vorbehalten war, wurden sie daher auf den Dörfern auch von Bauern betrieben. - Für das Amt Leisnig gibt es einige Verzeichnisse der Dorfleineweber. Eins von 1552 führt die Überschrift: "Verordnung der Leineweber im Ampt Leisnigk welche bleiben und nicht bleiben sollen" . Ich habe mir die Mühe gemacht, das 45 Namen umfassende Verzeichnis mit den Angaben der Erbbücher von 1548 und der Steuerregister jener Zeit zu vergleichen und gefunden, daß wohl fast alle (einige Personen ließen sich nicht identifizieren) diese Dorfleineweber Bauern waren. Es gab dabei auch Pferdner von 7/4, 2 und sogar 3 1/2 Hufen. Bauern waren auch die in einigen Muldendörfern (Fischendorf, Altleisnig, Röda) vorkommenden "Erbfischer", die gegen gewisse Abgaben und Leistungen das Recht hatten, die Mulde zu befischen. Die Erbfischerfamilie Kunath in Altleinig sitzt seit Jahrhunderten auf ihrem Gut. - Der schon erwähnte (Gärtner) Martin Ehrlich zu Oft Wendishain schwört 1691 dem Amt Leisnig den Eid eines Hausschlächters . In Hausdorf bei Colditz gab es um 1630 zwei Bauern des Namens Christoph Mühlner. Einer von ihnen heißt in den Akten der "Schlächtertoffel". Es ist anzunehmen, daß auch er den Nebenberuf eines Hausschiachters ausübte.

Die Dorfschenken waren früher so gut wie ausnahmslos in Händen von Bauern. Als Nebenberufsbezeichnung ihrer Inhaber findet man die Ausdrücke "Wirt", "Schenke", "Erbschenke", Kretzschmar", "Gastgeber". Häufig, in weiteren Teilen Sachsens ausschließlich, lag der Schank-betrieb auf dem Dorfe in der Hand des Erbrichters, des Nachfahren des "Locators" aus der Siedlungszeit. Gasthöfe "Zum Erbgericht" auch "Lehngericht" gibt es ja heute noch zahlreich. -

Meist umgekehrt lagen die Verhältnisse bei den Müllern auf den zahlreichen kleineren Bachmühlen. Obwohl sie in der Mehrzahl Müller im Hauptberuf waren, betrieben sie doch fast ausnahmslos auch Landwirtschaft. Hatte die Mühle anfangs nur wenig Feldbesitz, so erwarb sich der Müller nach und nach mehr davon, wie wir das u.a. bei den Besitzern der von der Herfurthsmühle abgetrennten Reichenmühle bei Colditz beobachten können.. Nicht selten war der Grundbesitz der Mühle so ansehnlich, daß Landwirtschaft und Müllerei im ungefähr gleichem Umfange nebeneinander hergingen. Die Langenauer "Bauermühle" ist im Grundbuch Leisnig als "Hufen- und Mühlengut" eingetragen und wird schon 1636 als Mühlengut bezeichnet27. Dementsprechend sehen wir öfter, daß Bauern Mühlen erwerben und dann als Müller genannt werden, ohne es eigentlich gewesen zu sein. Die erwähnte Reichenmühle führt ihren Namen nach einem Erlbacher Bauern Brosius Reiche, der sie 1590 kaufte .

Der Dreschgärtner Hans Geißler in Jahnsheim starb 1617 als "Böttcher und Glaser"29, der Gärtner Valten Hentzschel in Altleisnig 1637 als Zimmermann. Der Gärtner und Richter Paul Gaitzsch (sprich Gatzsch!) in Brösen bei Leisnig tritt uns im Kirchenbuch Leisnig mehrfach lediglich als "Pflugmacher" entgegen. Der Amtsmauermeister Adam Schuricht war Gärtner in Kalthausen bei Leisnig, sein Sohn Amtsmauermeister, Gärtner und Gerichtsschöppe in Wendishain bei Leisnig (+1808). Von Christoph, dem ältesten Sohne des Matthes Mühlner in Terpitzsch bei Colditz, der 1606 das väterliche Gut annahm, wird berichtet, daß er das Handwerk des Muldenmachers betreibe30. Man wird vermuten dürfen, daß er es auch nach Übernahme des Gutes weiter gepflegt hat. (Nebenbei nur: hier hat nun wohl, wie sich noch näher begründen ließe, einen Hinweis auf die Entstehung des Familiennamens Mühlner = Muldenmacher = Moldenhauer!). 1621 kaufte ein Jacob Weber aus Flemmingen ein (Pferdner-)Gut in Langenleuba-Oberhain. Im Kirchenbuch Langenleuba erscheinen bald nachher Kinder eines Schusters Jacob Weber. Der Name Weber ist in der dortigen Gegend um jene Zeit nicht selten und der Vorname Jacob schon gar nicht. Durfte man nun die Kinder des Schusters Jacob Weber dem Pferdner Jacob Weber zuschreiben? Es widerstrebte mir sehr, in dem Schuster und dem Pferdner dieselbe Person zu sehen. Es würde zu weit führen, hier auseinanderzusetzen, auf Grund welcher eindeutigen Belege und zwingenden Schlußfolgerungen ich das habe schließlich tun dürfen und müssen. Nur soviel sei gesagt: die Auswertung der Kirchenbuchangaben für sich allein, hätte die Zweifel nicht beheben können. Übrigens, um eine bisher hier nicht erwähnte Möglichkeit noch anzudeuten: es ist nicht notwendig anzunehmen, daß jener Jacob Weber nach der Übernahme seines Pferdnergutes seinen Beruf, dem er nachweislich vorher nachgegangen war, tatsächlich auch weiter ausgeübt habe. Die Bezeichnung "Schuster" mit der ihn das Kirchenbuch noch einige Jahre hindurch anführt, kann ebensogut eine Art Spitzname sein, der ihm von seinem früheren Berufe noch anhaftete.

Aus dem 18. Jahrhundert sind mir einige Fälle bekannt, daß Frauen gutgestellter Bauern den Beruf einer Hebamme ausgeübt haben. Die Witwe des Pferdners Paul Gärtitz in Bockwitz bei Colditz stirbt 1722 als "berühmte Kinder- und Wehmutter"31 und Anna Maria, Ehefrau des Auszüglers Priemer in Hausdorf, wird 1769 nach einer Prüfung durch einen Colditzer Arzt als Hebamme verpflichtet32.

Mit ein paar Ausnahmen gehören fast alle mit Nebenberufen aufgeführten Personen zu meinen Ahnen. Ich hatte daher Anlaß, mich näher mit ihnen zu beschäftigen, weiß, welche Schwierigkeiten es für die genaue Festlegung einer Person bedeutet, wenn sie von Akten verschiedener oder auch gleicher Art einmal in dieser und dann in jener Eigenschaft gekannt wird, besonders aber, wenn man den Mut aufbringen soll, den Besitzer eines größeren Gutes für personeneins mit einem Handwerker zu halten und glaubte daher, diese nicht allgemein bekannten Dinge doch nicht übergehen zu dürfen.


Quellen: