1796
Belehrung für das Publicum von dem großen Nachtheile, welcher aus dem
Missbrauch des Branntweins
für die Gesundheit und Seelenkräfte entsteht


Dresden 1796 gedruckt
Original im Kirchenarchiv Krumhermersdorf

Der Branntwein, er mag aus Wein, Weinhefen, Weitzen, Roggen, Obst, oder aus jedem andern mehlarthigem Wesen, durch Gährung und Destillation erhalten worden seyn, Liqueur, Aquavit, Franz- oder Kornbranntwein heißen, hat nach seinen wesentlichen Bestandtheilen auf jeden menschlichen Körper, nur auf diesen jenen mehr oder weniger, folgende Wirkungen:

Er reizt die Nerven so, daß sie anfänglich aufgemuntert und thätiger gemacht werden, nach und nach aber ihre Empfindung verlieren und unthätig bleiben.

Er zieht die festen Theile, Häute, Fleisch, ja sogar die Knochen zusammen, trocknet sie endlich aus, und macht sie steif.

Er verdickt die Säfte, macht sie zähe, zerstört und verhindert besonders die Gährung aller gährungsfähigen Speisen im Magen.

Hieraus kann man schon schließen, wie selten er ohne Schaden, und wie noch seltener er mit Nutzen könne genossen werden. Eigentlich sollte man ihn als Arzneymittel betrachten, das nur unter gewissen, schicklichen Umständen wohlthätig wirkt, zur Unzeit aber allemal schadet.

Denn nur Personen von schlaffen Körperbaue, flüssiger, kalter Leibesbeschaffenheit, geringer Reizbarkeit und langsamen Umlaufe des Blutes, die nicht leicht in Schweiß kommen, die wegen schwacher Beschaffenheit der Verdauungssäffte, und wegen großer Neigung zur Säure und Blähungen, mancherlei leicht gährende Speisen und Getränke nicht vertragen, welche sie doch in ihrer Lage nicht immer vermeiden können, werden von einer nur mäßigen Menge Branntwein, als von einem Arzneymittel, Nutzen erwarten dürfen. So kann er auch saftreichen, starken, arbeitsamen Menschen, wenn sie Wind, Wetter und ermüdende Bewegungen auszustehen haben, aber auch nur in geringem Maaße, mit etwas Wasser vermischt, als stärkendes Heilmittel zugelassen werden.

Nachtheilig aber ist der Branntwein, selbst als vermeintliches Heilmittel, allen hageren, trockenen Körpern, hitzigen, vollblüthigen Jünglingen, schwächlichen, dünnblütigen, reizbaren, zu Blutwallungen, Blutflüssen, Schlag- und Steckflüssen geneigten, gallsüchtigen, an verstopften Eingeweiden leidenden, zur Verzehrung geneigten, verwundeten, ja solchen Personen, welche in Gefahr stehen, verwundet zu werden.

Man findet Personen, die nicht den mindesten Hang zum Branntwein haben, ihn vielmehr verabscheuen, doch bey verschiedenen Gelegenheiten und in der guten Absicht, sich Erleichterungund Nutzen zu verschaffen, ihn zu sich nehmen. Allein, sowenig man irgend ein Arzneymittel ohne den Rath eines Arztes nehmen sollte, eben so wenig sollte man auch den Branntwein, als ein nur selten schickliches, also immer bedenkliches Mittel, nach eigenem Gutdünken gebrauchen.

So mögen sich einige junge, starke Personen zuweilen durch Branntwein mit Pfeffer, Ingwer, oder einem anderen Gewürze vermischt, ein kaltes Fieber, vielleicht ohne Nachtheil, vertrieben haben. Wollten aber alte, trockene Körper, Leute von hitziger Gemüthsart, solche, die engbrüstig und zum Steckflusse geneigt sind, die Schleim, Galle oder andere Unreinigkeiten in ihrem Magen oder Gedärmen, gelbliche Augen, Rücken und Kreutzschmerzen, die goldene Ader, harten oder aufgetriebenen Unterleib mit nicht täglich gehöriger Leibesöfnung, öfteren Reiz zum Brechen nach dem Genusse der Speisen haben, oder die an Augenentzündungen, anhaltenden Kopfschmerzen, Brausen im Kopfe, Geschwüren an irgend einem Theile des Körpers, besonders an den Füßen leiden; wollen dergleichen Personen, wenn sie von einem kalten Fieber überfallen würden, ebenfalls Branntwein dawider brauchen, so würden sie nicht nur ihre Krankheit nicht heben, sondern ihre alten Übel vielmehr so verschlimmern, daß sie in kurzem in Kraftlosigkeit, Gelbsucht, Geschwulst und mancherley Wassersucht, Gliederreißen, oft unheilbare Durchfälle, Auszehrung und dergleichen Krankheiten verfallen würden, von denen sie nur durch die Bemühungen der besten Aerzte, meistentheils aber gar nicht, wieder hergestellet werden können.

Eben so werden sich diejenigen, die sich manchmal durch Branntwein von Leibesschmerzen (Koliken), die sie nach dem Genusse stark gährender, blähender Speisen bekommen, Erleichterung verschaft haben, wenn sie dieses Mittel bey jedem Leibesschmerz anwenden wollten, oft den größten Nachtheil, ja sogar den Tod zuziehen. Denn der Leibesschmerz kann in einer Entzündung der Därme und anderer Eingeweide des Unterleibes bestehen, weswegen man Blut lassen und nur kühlende Mittel anwenden sollte. Branntwein würde dann gewiß die Krankheit unheilbar machen. Wer beym Schwindel und Neigung zum Brechen Hülfe beym Branntwein sucht, wie es nicht selten der Fall ist, wird sein Übel gewiß auch verschlimmern. Denn der Schwindel und das Brechen hängen meistens von einem im Magen befindlichem Schleime ab, welcher durch den Branntwein noch zäher und fester gemacht wird, und dann desto schwerer durch schickliche Arzneyen aufgelöset und weggeschaft werden kann. In gleicher Maase laufen Gebärende, Kindbetterinnen, Säugende und Kinder; mit Brüchen, besonders Eingesperrten Behaftete, die größte Gefahr, wenn sie entweder Branntwein selbst, oder damit bereitete Arzneyen nach ihren eigenen Einfällen nehmen.

Die Menge der Krankheiten, zu denen der Branntwein die erste Veranlassung giebt, oder die er, wenn sie nur noch im Keime lagen, bald erweckt , ist außerordentlich groß.

Für den Magen, die Därme und übrigen Verdauungswerkzeuge wird er nachtheilig, indem er die Häute und Gefäße derselben zusammenzieht, und verhindert, daß die zur Verdauung erforderlichen Säfte theils nicht in nöthiger Menge zufliessen können, theils nach und nach verdickt und zur Verdauung ungeschickt gemacht werden. Daher kommt es denn, daß Branntweintrinker, welche vorhero einen guten, ja starken Appetit hatten, solchen gänzlich verlieren, und dagegen Eckel, Würgen, Brechen bekommen; in der Folge vom Magenhusten, von Krämpfen, Blähungen, Leibesschmerzen, Verstopfungen und anderen Übeln geplagt werden.

Sind einmal die Drüsen im Unterleib verstopft: dann entstehen sehr leicht Ausdehnungen in den Blut- und Wassergefässen, deren Folgen Goldader-Beschwerden, Rückenschmerzen, Ohrensausen, Schlagflüsse, geschwollene Füße und alle Arten von Wassersucht sind.

Natürlich müssen sodann auch die Säfte ausarten und bösartig werden. Dahero denn Branntweintrinker im Gesichte ausfahren, und Geschwürchen, auch küpfrige Nasen bekommen; an entzündeten Augen, langsam oder nie heilenden Geschwüren, besonders an den Füßen leiden.

Es finden sich allerdings Personen, welche von der Geburt aus so schwache, bewegliche und reizbare Nerven haben, daß bey der geringsten Gelegenheit das böse Wesen, oder die Staupe, wie sich der gemeine Mann ausdrückt, sich einstellt. Und bey dergleichen Kindern erfolgt dies um so geschwinder, wenn die Mütter oder Ammen entweder selbst Branntwein trinken, oder den Säuglingen davon einflößen. Werden diese Unschuldigen nicht in kurzem ein Raub des Todes: so sind sie auf ihre ganze Lebenszeit unglückliche, theils dem bösen Wesen unterworfene, theils dem Körper nach sieche, der Seele nach aber elende, dumme Creaturen, oder vielmehr Maschinen.

Ja, es sind mehrere Beyspiele vorhanden, daß bey den, dem Anschein nach starken und gesunden, Personen durch den übermäßigen Genuß des Branntweins das böse Wesen ausgebrochen, und bey jedem wiederholten häufigen Genuß sich von neuem eingestellet habe. Bey anderen sind durch den vermehrten Antrieb des Blutes und der Säfte nach dem Kopfe, Schlafsucht, Zuckungen, Schlagflüsse; bey den anderen tödliche Blutflüsse durch das Branntweintrinken verhänget worden.

Personen, bey denen Krankheiten schon dem Ausbruch nahe waren, verschlimmern solche durch Branntwein, theils indem sie das mit eintretende Fieber vermehrten, theils den Krankheitsstoff erhöheten, und dessen Wegschaffung aus dem Körper verhinderten. So kann aus einem sonst leicht unbedeutenden Schnupfenfieber eine tödliche Brustentzündung; aus Leibesschmerzen von Unreinigkeiten die man abführen sollte, eine Darmentzündung entstehen; noch zu heilende hektische Fieber unheilbar werden; Geschwüre, die gut eiterten, austrocknen; Wunden an Bildung des zu ihrer Heilung so nötigen Eiters gehindert; selten kommendes Blutspeyen, Goldader und unordentlich erscheinende monatliche Reinigung in einen heftigen, vielleicht tödtlichen Blutverlust ausarten.

Schon längst geheilte Krankheiten, von denen man sich vollkommen frey fühlte, werden durch den Genuß des Branntweines wieder erweckt. Dahin gehören vorzüglich alle langwierigen Hautausschläge, Blutspeyen, Blutbrechen, Mutterblutflüsse, Krämpfe, Gichter oder das sogenannte böse Wesen, Goldader, Gliederreissen, Halsentzündungen, zu denen manche Menschen besonders geneigt sind, Rose, Engbrüstigkeit, Steck- und Schlagfluß, und die ganze Schar von Krankheiten, denen das Menschengeschlecht ausgesetzt zu seyn pflegt.

Aber das größte Schreckensbild für jeden Branntweintrinker sollte gewiß der oft so augenblicklich nach dem Genusse entstehnde sittliche Nachtheil seyn.

Wie bald verliert er nicht den Gebrauch der von seinem Schöpfer ihm zum Glück gegebenen Vernunft? Wie tief würdigt er sich unter jedes Geschöpf herab, das beständig seinem angebornen Trieb, der ihm statt der Vernunft dient, getreu bleibt? Er wird aus einem sonst guten, friedfertigen, sanftmüthigen ein boshaftes, zanksüchtiges und wildes Geschöpf; vergißt alle Pflichten, die ihm als Gatten oder Vater obliegen, und die er dem Staate als Bürger schuldig ist. Welch ein Scheusal ist ein dem Branntweintrunke ergebenes Weib? Wer kann sich nicht Beyspiele denken, daß vorher wohlhabende Menschen sich durch den Trunk an den Bettelstab gebracht und sich und die Ihrigen unglücklich gemacht haben? Wer sollte nicht Fälle gehört haben, daß sonst gute, friedliebende Menschen, während der Trunksucht, bey oft selbst gesuchten Zänkereyen, ihre besten Freunde, ja Weiber und Kinder gemordet, die Ehe gebrochen haben und in die abscheulichsten Wollüste versunken sind. Wie furchtbar verächtlich, verabscheuungswürdig und strafbar macht sich der Trunkenbold durch Entdeckung der oft bedeutendsten Geheimnisse, durch ungeziemende Äußerungen über die Religion und die heiligen Gesetze des Staates? Wie mancher bringt aus zu später Reue über vorerwähnte Schandthaten sein trauriges Leben in der fürchterlichsten Schwermuth und Melancholie zu? und wieviele schmachten nicht in Gefängnissen, um von fernern Abscheulichkeiten abgehalten zu werden, die sie in der unglücklichen Stunde der Trunkenheit begingen?

Da der körperliche und moralische Schade des Branntweins so auffallend und unausbleibend ist: so sollte man billig hoffen können, daß nach diesen Vorstellungen der Laster der Trunkenheit abnehmen, und mancher dem Verderben nahe Mensch noch davon gerettet werden würde.

Viel besser wird der gemeine Mann seiner Gesundheit rathen, sich vor Krankheiten bewahren, und sein Leben höher bringen, wenn er im Sommer statt des Branntweins Essig unter das Wasser mischt und im Winter eine Bier- und Kofentsuppe mit etwas Ingwer, auch einem Eye genießt, oder, wenn ja Branntwein getrunken werden muß, fünf bis sechs Theile Wasser dazu gießt. Auf diese Weise wird er munter, thätig und gesund bleiben, alle häuslichen Arbeiten, wenn sie auch noch so sauer und schwer sind, verrichten , und der rauhesten Witterung Trotz bieten können.