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2-1991

Johannes Roscher, Pfarrer
Urkunde im Turmknopf seit 1991


persönliche Mitteilung

Bereits seit Anfang der achtziger Jahre ergab sich wegen erheblicher Schäden der Schiefereindeckung des Kirchturms die Notwendigkeit einer Instandsetzung, obwohl die letzte größere Reparatur erst ca. 20 Jahre zurücklag. Alle Anstrengungen des Kirchenvorstandes blieben jedoch erfolglos. Erst im Zuge der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands wurde das möglich. Jedoch war mit den neuen Verhältnissen auch gleichzeitig die Finanzierung (etwa 130.000 DM) in Frage gestellt, da durch die Währungsumstellung die durch Spenden der Gemeindeglieder angesammelte Summe nur noch die Hälfte ihres Wertes behielt. (1)

Die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich in den vergangenen beiden Jahren total verändert. Im Jahr 1989 hatte sich die wirtschaftliche und politische Lage derart zugespitzt, daß viele Bürger der DDR nur Perspektiven in einer Ausreise in den westlichen Teil Deutschlands sahen. Insgesamt führten die dadurch charakterisierten Zustände dazu, daß im Herbst 1989 Bürgerbewegungen an die Öffentlichkeit traten und auf Diskussionsforen und Massendemonstrationen Unterstützung erhielten. Die guten Seiten des Wohlstandes im westlichen Teil Deutschlands wirkten auf viele Menschen wie ein Magnet. Sie wollten teilhaben an dem, was ihnen Jahrzehnte lang vorenthalten wurde. Dieser Druck führte schließlich zur Öffnung der Grenzen zwischen Ost und West am 9. November 1989. Die offizielle Herstellung der Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990 war auch Wunsch der Mehrheit der Bewohner Krumhermersdorfs. (2)

Der mit dem Umbruch verbundene beschleunigte Zusammenbruch der Wirtschaft im Osten Deutschlands bringt für viele jedoch auch die negativen Folgen von Betriebsschließungen und Verlust des Arbeitsplatzes mit sich. Aus all den daraus erwachsenden sozialen Spannungen, persönlichen Nöten und menschlichen Verunsicherungen ergeben sich viele Aufgaben, in denen sich christlicher Glaube in Kirche und Gemeinde in Zukunft zu bewähren hat. Wir haben Menschen beizustehen, die jetzt nach ganz neuen Maßstäben lernen müssen zu leben. Wir haben jene zu unterstützen, die durch die neuen Verhältnisse an den Rand gedrängt werden und ins Abseits geraten. Besser noch: Wir haben mit den uns gegebenen Möglichkeiten im Sinne Jesu aktiv zu werden, um Ungerechtigkeiten zu verhindern und für gerechte gesellschaftliche Verhältnisse zu sorgen. Die Auseinandersetzung um diese politische Konsequenz christlichen Glaubens prägt zur Zeit auch unser Gemeindeleben. (3)

In dem Wunsch, daß wir als christliche Gemeinde die uns gestellte Bewährungsprobe bestehen und getragen von der Hoffnung, daß der Glaube an den in Jesus Christus begegnenden Gott uns durch seinen Heiligen Geist Kraft gibt, für ein gerechtes, solidarisches Zusammenleben der Menschen in unserer Umgebung und in der weiten Welt einzustehen, wie es der Welt, die Gott will, entspricht, schrieb diese Gedanken nieder

der seit dem 31. August 1980 hier amtierende Pfarrer Johannes Roscher.


  1. Und die Kosten sich ungefähr vervierfacht hatten!
  2. Diese Aussage bezieht sich wahrscheinlich auf das Wahlergebnis 1990, bei dem die Ost-CDU die Mehrheit erhielt.
  3. "Singen, beten, loben den Herrn" oder politisch wirksam werden. Die unterschiedliche Meinung belastet vor allem das Verhältnis zwischen Kirche und Landeskirchlicher Gemeinschaft im Ort.