Krumhermersdorf Literatur
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Brücke

Heinz Bauer
Zur Geschichte der Wüstung Berthelsdorf im Bornwald bei Zschopau


Heimatfreund für das Erzgebirge 6/1978

Kommentar: Weil eine Sage (die auf einem Verständnis-Fehler einer Urkunde beruht) behauptet, Berthelsdorf sei größer als Krumhermersdorf gewesen, biegt Herr Bauer alle Tatsachen solange, bis sie dazu passen.

Zwischen Krumhermersdorf bei Zschopau und Lauterbach bei Marienberg liegt der große Heinzewald; sein nördlicher Teil wird als Bornwald bezeichnet (1). In diesem Waldgebiet sollen einst - so berichtet uns eine alte Überlieferung - 3 Orte gelegen haben: Berthelsdorf am Grenz- oder Heubach (2), Schwarzbach am Schwarzbach und Mittelbach am Lautenbach. Sie bildeten ein Kirchspiel, dessen Kirche sich in Berthelsdorf befand. Im Dreißigjährigen Krieg wurden die Orte niedergebrannt und ihre Bewohner von der Pest dahingerafft. Viele Jahre später wurde im Kirchhofflügel von Schweinen eine Glocke freigewühlt, die von Berthelsdorf stammen soll und sich bis heute in der Krumhermersdorfer Kirche als "Sauglocke" erhalten hat. In den letzten Jahren wurden im Rahmen der Bodendenkmalpflege Untersuchungen zu diesen sagenhaften Dörfern angestellt. Obwohl die Forschungen noch nicht abgeschlossen sind, haben sie eine Reihe von interessanten Erkenntnissen gebracht, die an dieser Stelle einmal in zusammengedrängter Form dargestellt werden sollen.

Mittelbach und Schwarzbach sind urkundlich nicht faßbar. Von ihnen wissen wir, bedingt durch das Fehlen von Bodenfunden, von wüstungsverdächtigen Flurnamen und weiteren Merkmalen im Gelände, nichts (3). Wegen der Überflutung eines Abschnittes des Lautenbaches durch die Obere Talsperre Neunzehnhain ist im überlieferten Bereich von Mittelbach die Möglichkeit einer Geländebegehung nicht gegeben. Somit können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob Schwarz- und Mittelbach überhaupt jemals existiert haben.

Am Grenzbach hingegen finden wir Dämme von abgelassenen und heute mit Bäumen bestandenen Teichen, Reste ehemaliger Wege und neuerdings auch spätmittelalterliche Keramik, was zwar noch keine generellen Aussagen zuläßt, aber immerhin Anhaltspunkte gibt. Als typischer Flurname soll hier die Bezeichnung "Kirchhof" angeführt werden, auf die wir noch zurückkommen. (4)

Bei einem Blick auf das Meßtischblatt fallen uns die "Waldhufen" auf, die, vom Grenzbach ausgehend, in Richtung Krumhermersdorf führen. Diese markanten Merkmale einer Ortswüstung sind mit Berthelsdorf in Verbindung zu bringen, das nach einer Urkunde von 1567 in der Nähe von Krumhermersdorf lag (5). Weitere urkundliche Hinweise, die hier nicht im einzelnen angeführt werden können (6), lassen ebenfalls auf die Lage von Berthelsdorf im Grenzbachtal schließen. Damit stimmt die lokale Überlieferung mit dem schriftlichen Nachweis überein.

Berthelsdorf tritt erstmals 1369 in das Licht urkundlicher Erwähnung. Es gehörte neben Lengefeld, Wünschendorf, Rotenbach (Wüstung zwischen Borstendorf und Lippersdorf) sowie Krumhermersdorf (Hermanstorff mit dem Forste) zur Herrschaft Rauenstein, die ab 1323 den Waldenburgern (in Wolkenstein) gehörte und zuvor Eigentum der Schellenberger war. Nach dem Aussterben der Waldenburger 1479 geht sie in den Besitz des aus Thüringen stammenden Hans von Güntherode über, dessen Söhne die Herrschaft im Jahre 1567 an Kurfürst August I. verkaufen, der sie zum Amt erhebt.

Auf die Sonderstellung von Krumhermersdorf in der Herrschaft Rauenstein näher einzugehen würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Lediglich die kirchliche Zugehörigkeit von Krumhermersdorf einerseits und Lengefeld, dem eigentlichen Pfarrort der Herrschaft Rauenstein, andererseits soll uns hier interessieren.

Krumhermersdorf wird 1428 - wie das Kirchspiel Zschopau - zum Archidiakonat Zschillen gerechnet (7), ist aber 1495 nach den Meißner Bistumsmatrikeln im Kirchenkreis Wolkenstein dem Archidiakonat Chemnitz zugewiesen. Lengefeld dagegen untersteht 1495 in kirchlicher Beziehung dem Archidiakonat der Domprobstei Meißen. So gibt es keinen Grund zur Behauptung, Berthelsdorf habe in der ursprünglichen Herrschaft Rauenstein ein zweites, selbständiges Kirchspiel gebildet. Deshalb muß eine Einpfarrung von Berthelsdorf in die Lengefelder Kirche angenommen werden. Es kann sich also nur um eine Filialkirche gehandelt haben, auf die uns der Flurname "Kirchhof" und der Fund der legendären "Sauglocke" aufmerksam machen. (8)

Die Frage nach dem Standort jener Kirche hat schon mehrere Forscher beschäftigt. Aber die Ansicht, daß sie in der Nähe der Wegspinne im Bornwald (9) gestanden haben soll, ist aus siedlungsgeschichtlichen Gründen nicht mehr zu vertreten.

... leicht der Markscheider Öder auf Blatt 53/54 (Ur-Öder) der 1. kursächsischen Landesaufnahme (1566—1633). Hier ist die Bezeichnung "Am Kirch Hoff" am Grenzbach, etwa in der heutigen Abteilung 21, eingetragen. Zur Klärung des Problems eines möglichen Kirchenstandortes kann uns auch die (leider inschriftlose) "Sauglocke" nicht weiterhelfen, da über den genauen Fundort nichts bekannt ist (10). So bleibt diese Frage weiterhin ungelöst.

Berthelsdorf soll etwa bis 1632 bestanden haben. Aber auf der bereits angeführten kartographischen Darstellung von Öder ist das Dorf schon nicht mehr zu finden. Bei der Aufführung der Orte im Amt Rauenstein (Amtserbbuch von 1591) wird es nicht genannt. In den Landsteuerregjstern aus der Mitte des 16. Jh., einer im allgemeinen sehr zuverlässigen Quelle, fehlt Berthelsdorf ebenfalls. In einem Begehungsbericht von 1730 heißt es, daß "der ganze Distrikt... in den letzten 200 Jahren dicht mit allerdings geringem Holze... bewachsen" sei. Nach diesem Bericht muß Berthelsdorf um 1530 bereits nicht mehr vorhanden gewesen sein (11).

Es könnten noch weitere Beispiele dieser Art angeführt werden. Wir wollen es dabei bewenden lassen, da sich nun die Annahme von einer Zerstörung Berthelsdorfs im Dreißigjährigen Krieg endgültig als falsch erwiesen hat.

Der Prozeß der Wüstwerdung von Berthelsdorf ist der Wüstungsperiode des 15. Jh. zuzurechnen. Der genaue Zeitraum wäre jedoch durch urkundliche und archäologische Untersuchungen noch besser zu fixieren.

Den Anlaß der Wüstwerdung von Siedlungen sucht die Geschichtswissenschaft in einer mittelalterlichen Agrarkrise, deren Ursachen in den differenzierten Klassenverhältnissen des Feudalismus begründet liegen.

Daneben trugen neben schlechter Bodenbeschaffenheit und ungünstigen klimatischen Verhältnissen vereinzelt auch Seuchen und kriegerische Ereignisse zur Wüstwerdung bei.

Die Gründe, die zur Aufgabe von Berthelsdorf geführt haben, sind uns im einzelnen nicht bekannt. Sie zu erforschen und eingehend darzustellen wäre ein wichtiger und lohnenswerter Beitrag zur Heimatgeschichte.


  1. Das ist die heute übliche Bezeichnung der Forstwirtschaft. Umgangssprachlich ist Bornwald offenbar üblicher, wenn auch als Bezeichnung für den gesamten Wald nicht exakt.
  2. Eine fantasievolle Deutung des umgangssprachlichen "Haabooch" für den Grenzbach, die wir mehrfach hörten. Richtig dürfte Hainbach sein, was sich auf die vielen auf alten Karten genannten Haine (kleine Waldgebiete) beziehen könnte.
  3. "Wir wissen von diesen Orten nichts ... also können wir auch nicht sagen, ob sie exisitiert haben." - Diese Logik führt ins Uferlose! Herr Bauer weiß von einer Sage, also wäre es doch naheliegend, deren Quellen nachzugehen. Oder nachzuweisen, dass weitere Dörfer (außer Berthelsdorf) im Bornwald nicht liegen konnten.
  4. Der Kirchhof (oder Kirchhofflügel) liegt NICHT im Grenzbachtal.
  5. In der genannten Urkunde ist nicht von Berthelsdorf, sondern vom Berthelsdorfer Wald die Rede. Zu dieser Zeit war Berthelsdorf bereits über 100 Jahre verschwunden; seine Fluren waren kurfürstlicher Wald geworden. Woher sollen dann Berthelsdorfer Felder (Waldhufen sind Felder!) kommen?
  6. Von weiteren urkundlichen Hinweisen ist uns nichts bekannt. Auf eine Anfrage dazu beim Autor bekamen wir nur allgemeine Antworten.
  7. Die Interpretation der genannten Urkunde, mit Hermersdorf sei das Dorf bei Zschopau gemeint, muss bezweifelt werden. Vergleiche dazu die Kommentare bei dieser Urkunde.
  8. Es ist auch denkbar, dass gar keine Kirche exisitierte. Und die Geschichte von der Sau-Glocke ist mit hoher Wahrscheinlichkeit reine Erfindung.
  9. Gemeint ist die Stelle "Am Kreuz" am Schlag 18, wohin der Schriftzug auf dem Messtischblatt von 1988 geriet.
  10. SO Stumm ist die Glocke nicht! "Keine Inschrift" deutet ihr Alter auf vor 1420, wie aus einer Recherche der Autoren in der (alten) sächsischen Kirchengalerie hervorgeht. Ihre rauhe Oberfläche verführte zur Annahme, sie sei lange Zeit eingegraben gewesen; doch eine Anfrage in der Glockengießerei Apolda erbrachte, dass man damals noch keine glatte Oberfläche gießen konnte. Da nun ihr Alter zur Krumhermersdorfer Kirche passt, und sie offenbar mindestens seit 1602 (Beginn der Pfarramts-Aufzeichnungen) in dessen Kirche hängt, ist die ganze Vergrabe-geschichte doch sehr fragwürdig.
  11. Die genannten 200 Jahre dürften ein Pi-mal-Daumen-Wert gewesen sein. Daraus kann man doch nicht auf ein Wüstsein vor 1530 rechnen!