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Christine und Hermann Doerffel
Auf, auf zum fröhlichen Jagen
Cornelius von Rüxleben, Landjägermeister des Kurfürsten von Sachsen


FREIE PRESSE Chemnitz 06.10.1991

Das Haupt- und Staatsvergnügen hoher Herren ist bis heute die Jagd (1). Einen Hirsch schießen! Aber es soll hier nicht um Charakterstudien gehen, sondern um einen, der sich im Sachsen vergangener Zeit von Amts wegen um die Jagd zu kümmern hatte: Cornelius von Rüxleben, Landjägermeister des Kurfürsten von Sachsen. - Nun, der zweite Mann bei Hof war er nicht, aber sein Einfluß war auch nicht zu unterschätzen, schließlich kümmerte er sich um des Kurfürsten Hobby!

Den Grundstock zu großen Jagdrevieren hatten die Herren von Wettin, die Kurfürsten, bereits im 15. Jahrhundert gelegt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts brachte der Kurfürst August fast alle größeren Wälder des Erzgebirges in seinen Besitz. Der "Landjägermeister" (im Prinzip ein Minister), dem diese Wälder unterstanden, war eine einflußreiche Person bei Hof.

Cornelius von Rüxleben war 1554 Jägermeister von Zschopau, 1559 Jägermeister des "gebirgischen Kreises" (etwa der Regie- rungsbezirk Chemnitz und der Südwesten des Regierungsbezirkes Dresden) und seit 1567 Landjägermeister. Für letztere Stelle erhielt er unter anderem die Abgaben und Frondienste, die die Krumhermersdorfer zu leisten hatten. Damit wurde er Grundherr dieses Ortes. Allerdings wohnte er in Zschopau (jetziges Rathaus, ehem. SED- Kreisleitung) und Dresden. Erst von seinen Kindern und Enkeln wurden Bauerngüter in Krumhermersdorf erworben, der Grundstock für die dortigen sogenannten Hofgüter.

Cyriakus Spangenberg, im 16. Jahrhundert Pfarrer, schreibt:

"Was für Schaden, Leid und Jammer,
Unterdrückung und Verderb den armen Untertanen durch das verfluchte Jagen zugerichtet wird, ist nicht auszusagen ... das Wild zertritt, frißt und macht ihnen zu Schaden, was sie an Früchten gesät und gepflanzt, ehe es recht hervorkommen kann und während es wächst und steht. Das müssen sie leiden und dürfens nicht wehren.
So werden ihnen danach vom Wild und auch von der Herrn und Junker Jagdhunden ihr Vieh ... bisweilen auch ihre Haus- und Hofhunde und oft dazu ihre Kinder und Gesinde zerrissen bzw. beschädigt. Daran wird ihnen nichts erstattet.
Überdies müssen sie, wenn man jagen will, alles liegen und stehen lassen, das Ihre versäumen und Leib und Leben in Gefahr setzen. Dazu jagt man ihnen um einen Hasen oder zwei Hühner oder anderen Wildes wegen durch ihre Äcker, Wiesen und Gärten ... und dürfen die armen Leute das Wild aus den Gärten und von den Äckern nicht scheuchen, sondern müssen es leiden, daß es ihnen dieselbigen zunichte macht und abfrißt, was sie mit großer Arbeit erbaut haben."

Zu jener Zeit bevorzugten die Fürsten die "Deutsche Jagd". Dabei wurde das Wild durch bewachte Stellnetze eingekesselt und dann vom bequemen Sitzplatz aus durch die fürstliche Jagdgesellschaft abgeschossen. Kein Vergleich zur anstrengenden, halsbrecherischen Hatz über Felder und Wiesen, Gräben und Hecken nach einem einzigen Hirsch, genannt französische oder "Parforce-Jagd". Mittels der deutschen Jagd ließ sich ein großer Hofstaat verpflegen - die französische Jagd war mehr nur ein Sport.

In manchen Waldungen war eigens für die Jagd ein spinnennetzförmiges Wegesystem angelegt. Wie die Strahlen der Windrose teilten acht Wege den Wald in ein Windrad mit acht "Flügeln" und trafen sich auf einer zentralen Lichtung. - Diese Lichtung hieß im Bornwald/ Heinzewald "Bei der Kreuzbuche" und lag in der Nähe der heutigen "Kalten Küche". Deren Name deutet schon an, daß man sich dort um die (kalte) Verpflegung für die Jagdgesellschaft kümmerte. In einem Gehege in unmittelbarer Nähe davon wurde das Wild zusammengetrieben und dann Stück für Stück dem Kurfürst vor die Flinte gejagt. War schon das Zusammentreiben des Wildes ein tagelanger, anstrengender Frondienst für die Bauern der Umgebung gewesen, so waren sie anschließend verpflichtet, das geschossene Wild an den Fürstenhof zu fahren. Und das in der Regel zur Erntezeit!

Wie überhöht der Wildbesatz für solche kurfürstlichen Vergnügungen hier war, zeigt eine Jagd im Hölzel (zw. Krumhermersdorf und Börnichen) im Jahr 1628, bei der 95 Hirsche und Wildschweine abgeschossen wurden. Von nicht einmal 100 ha! Kein Wunder also, daß der Landjägermeister jede Menge Feinde hatte. Auch Adlige, deren Felder das Wild schädigte! 1576, nur neun Jahre nach seinem Amtsantritt, fiel er bei seinem Kurfürst in Ungnade. Eine "Anzeige wegen ungebührlicher Reden über die kurfürstliche Familie" wurde ihm zum Verhängnis. Er sollte gesagt haben, er habe eine eigenwillige, geizige Fürstin und deren Söhne seien unartige Herrlein. (Wochenblatt für Zschopau 94, 1883) Deshalb wurde er verhaftet, eingesperrt und starb als Gefangener 1590 in Leipzig in der Pleißenburg. Da waren Kurfürst und Kurfürstin schon lange tot ...

1883 wurde sein Grab in der Leipziger Johanniskirche gefunden. Damals beschreibt man ihn als Mann mit vollem braunen Lockenhaar, der die Kleidung eines Landedelmanns aus dem 16. Jahrhundert, Reiterstiefeln, lederne Beinkleider mit bunten Bordüren und ein Wams von braunem Stoff trug.

Das Wegesystem jedoch verkam, war bereits 1616 so zugewachsen, daß es in einer damaligen Landkarte nur erwähnt, nicht aber eingezeichnet wurde. Heute ist absolut nichts mehr davon zu finden, und nur der Name "Kalte Küche" für eine einsame Wegekreuzung im Wald erinnert an jene Zeit.


  1. Damals stand die Jagdleidenschaft der soeben gestürzten DDR-Regierung unter heftiger öffentlicher Kritik