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1548 - 1715: Familienbuch
des Kirchspiels Waldkirchen mit Grünhainichen und Börnichen


bearbeitet von Gisela Lorenz, Annaberg-Buchholz
auf der Grundlage der Kirchenbuchabschriften von Alfred Maschke
Mitteldeutsche Ortsfamilienbücher der AG f. Mitteldt. Familienforschung e.V.

Einleitung

Waldkirchen, Grünhainichen und Börnichen liegen im mittleren Erzgebirge östlich von Zschopau in einer waldreichen Gegend.

Waldkirchen ist ein 3 km langes Waldhufendorf das sich in einem rechten Seitental der Zschopau hinstreckt. Ursprünglich führte nur die Dorfstraße hindurch, die in einer Furt die Zschopau durchquerte. Der tiefste Punkt liegt bei 308 m, der höchste über 500 m. Diese steile Lage bringt Erschwernisse für die Landwirtschaft und den Verkehr. Waldkirchen wurde unter den Herren von Schellenberg auf wilder Wurzel gegründet. Der Name wird (nach Knauth in seinem Ortsnamenbuch) hergeleitet von "Waltkirchen = bei der Kirche am Walde" (1). Im Lehnbuch Friedrichs des Strengen, Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen, wird Waldkirchen erstmals genannt als Waltkirchen mit Bumichin (Börnichen) und Heinchin (Grünhainichen). Nach diesem Lehnbuch erfolgte 1349 bis 1351 die Hauptmasse der Landverleihungen (2) und man nimmt an, daß etwa 100 Jahre früher die Dorfgründungen erfolgten (3).

Waldkirchen ist die Mutterkirche von Grünhainichen und Börnichen, dazu kamen als nichtbäuerliche dörfliche Nachsiedlungen im 17. Jahrhundert Zschopenthal und Neunzehnhain (4). Ursprünglich gehörte sie zur Herrschaft Schellenberg und war Teil des Amtes Freiberg. Politisch gehörte Waldkirchen unter die Schellenberger (Augustusburger) Gerichtsbarkeit. Waldkirchen ist auch von Anfang an Gerichtssitz für Börnichen. 1501 gibt es neben dem Richter 25 besessene Mann, darunter ein Gärtner. Das Erbbuch 1551 nennt 29 Familien, darunter den Lehnrichter und den Pfarrbauern und 12 Gärtner (nicht namentlich). 1558 hat Waldkirchen je einen Bäcker, Schmied, Schneider und Schuster. Daneben gab es den Pfarrer, den Schulmeister und den Totengräber.

Grünhainichen wird 1350 einfach Heinchin (= kleine Rodungssiedlung) und erst 1551 Grünheynichen genannt. 1551 hatte es 17 besessene Mann, 18 Gärtner und 7 Inwohner. Börnichen wird 1350 Burnichin (= Ort am kleinen Quellbach) genannt. 1551 hatte es 18 besessene Mann, 2 Gärtner, 14 Inwohner.

Diese drei Dörfer haben sich früh vom Bauerndorf zum Häuslerdorf bzw. Industrieort gewandelt. Die Landwirtschaft war offensichtlich nicht ergiebig genug (5) um die Familien zu ernähren und so findet man häufig in den Kirchenbucheinträgen die Verbindung "Hüfner und Tischler" oder "Hüfner und Händler". Die Kirchenbücher sind nur eine bescheidene Quelle. Oft werden die Berufsbezeichnungen nur angegeben, um Personen gleichen Namens zu unterscheiden.

Es entwickelt sich früh eine bäuerliche Nebenerwerbsquelle, die Herstellung der "hölzernen Ware". In der Holzordnung vom 08.09.1560 für das Lautersteiner Gebiet vom Kurfürst August werden als "hölzerne Ware" aufgezählt: Kannen, Schüsseln, Teller, Schäffel, Brechen, Rollen, Siebe, Wasserkannen. Es tauchen die Berufsbezeichnungen Löffelmacher, Tellerdreher, Spanzieher, Schachtelmacher und Geigenmacher auf. Später kommen Brettschneider, Röhrbohrer, Wagner, Maßmacher, Kistenbauer und Leineweber dazu. Dabei ist der Erzeuger zugleich Händler und sorgt für den Absatz seiner Ware. Später entwickelt sich ein Handelsleutestand (zuerst in Grünhainichen) als Vorläufer der Verleger. Die Waren wurden bis nach Leipzig und Dresden auf die Messen oder Märkte gebracht und gehandelt. Der Transport erfolgte im Tragekorb oder mit der Schubkarre (Kärrner) oder auch mit dem Planwagen. Die verkehrsgünstige Lage am "Salzweg" (6), der von Halle über Leipzig, Penig, Chemnitz, Zschopau ins Böhmische führte, war dabei von Vorteil.

Ende des 17. Jahrhunderts gab es einen wirtschaftlichen Aufschwung (7). In Zschopenthal wird 1663 ein Eisenhammer erwähnt, der 1692 nach Neunzehnhain verlegt wird. Das ursprünglich in Annaberg gegründete Blaufarbenwerk wurde wegen Schwierigkeiten bei der Brennholzbeschaftüng 1684 nach Zschopenthal verlegt. Das Blaufarbenwerk besaß eine eigene Gerichtsbarkeit und verfügte auch über eine Fabrikschule. Damit waren neue Arbeitsmöglichkeiten für die zahlreiche Bevölkerung geschaffen und es wurden auch viele Leute von auswärts angezogen. Es tauchen neue Namen und neue Berufsbezeichnungen auf wie Blaufarbenarbeiter, Büttner auf dem Blaufarbenwerk, Farbmacher, Schichtmeister auf dem hochadeligen Berbißdorfer Hammerwerk, Aufgießer, Köhler auf dem "19Hain".

Großen Einfluß auf das Leben der Bevölkerung hatten Kriege und Seuchen. 1639 (8) waren Truppen des schwedischen Generals Banner in Grünhainichen, die die Menschen übel behandelten, so daß viele in die umliegenden Wälder flohen. Die Pest und andere Seuchen wie die rote Ruhr, das ungarische Fieber und die Blattern führten zu schweren Verlusten unter der Bevölkerung. So löschte die Pest um 1639/40 oft in kurzer Zeit ganze Familien aus.


  1. Das ist banal! und braucht sicher keinen Wissenschaftler ...
  2. Das ist ganz sicher nicht richtig. Friedrich sorgte mit seinem Lehnbuch für schwarz auf weiß festgehaltene Besitzansprüche unter seinen Adligen. Er verlehnte damals kein Land (Felder), sondern bestätigte den Besitz von Orten, Burgen, Hoheitsrechten.
  3. Auch das ist sicher falsch! Denn nachweislich wurden die Orte im mittleren Erzgebirge durchweg in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts gegründet. Spätere Gründungen waren die Ausnahme (Marienberg) und wurden auf bereits vorher besiedeltem Boden erbaut. Die vererbbare Landverteilung an die Bauern erfolgte gleichzeitig mit der Ortsgründung, darüber sind sich Historiker heute einig!
  4. Neunzehnhain wurde i.A. von Wünschendorf aus verwaltet. Vielleicht gab es da aber Ausnahmen.
  5. Dieses Argument hört man oft, doch dürfte es oberflächlich sein: Südamerikanisches billiges Silber brachte im 15./16. Jh. den hiesigen Bergbau zum Erliegen. Die arbeitslosen Bergleute mussten sich andere Arbeit suchen. Spätere Bergbauversuche mit merklich verbesserter Technik zeigten, dass durchaus noch Silber zu finden war; doch die Indianer- und Negersklaven mussten unentgeltlich arbeiten - da konnte das Erzgebirge nicht mithalten.
  6. Die oft bemühte Salzstraße! Waldkirchen lag ja nicht mal an ihr, und man möchte schon ein wenig zweifeln, ob diese Phrase den Tatsachen entspricht.
  7. Von einem solchen Aufschwung berichten andere Quellen aber rein gar nichts ... im Gegenteil, das Erzgebirge wurde im 17. Jahrhundert zum Armenhaus Sachsens!
  8. Das war zwar schlimm, doch die wirklich traurige Berühmtheit errang sich nicht dieser Unbekannte, sondern General Holck - man lese zeitgenössische Berichte und Chronisten!