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1773
Beschwerde über den Schulmeister


Pfarrarchiv Krumhermersdorf Locat XVIII Nr. 30/2

Den 29. Oktober (1773) erschienen bei mir (dem Pfarrer)
der Herr Erbrichter Müller,
Karl Traugott Rudolph, Gerichtsschöppe und
Carl Gottlob Viererbe, Gemeinde-Mann
als Abgeordnete von der Gemeinde
und berichten gegen den Schulmeister folgende Beschwerde:

1.
Daß er auf dem Getreideboden des neuerbauten Schulhauses entgegen der Feuerordnung all sein Heu und Grummt geschaffet und auf dem Boden des Kellerhauses selbst oben fast 3 Wagen Holz hat, durch welches letztere die Keller beschweret, auch das Gebäude selbst, das zu anderen Sachen bestimmt ist, ruinieret werde. Als das Schulgebäude den 24. Oct. übergeben worden ist und er von dem Herrn Richter erinnert worden ist, das Heu von dem Boden und das Holz aus dem Kellerhause zu schaffen, hat er sich sehr ungebührlich aufgeführet und injuriens (Beleidigungen) herausgestellet, deren Ahndung man sich vorbehält.

Da uns die Gemeinde in fünf Jahren 2 mal die Schule hat ganz neu bauen müssen, kann ihr nicht verweigert werden, das sie für deren Erhaltung und die Verhütung aller Feuersgefahr sorge!

2.
daß er früh und abends sehr unordentlich ausgereinigt. Nur 1 Minute statt wie erforderlich gewiß eine Stunde zu fegen.

3.
Daß er sehr ungleich bei den Leichen und Hochzeiten läute, bei den großen Leichen nicht die festgesetzte ganze Stunde und bei kleinen Leichen nicht die entsprechende halbe Stunde. Auch das Läuten ohne seine Anwesendheit durch die Schulkinder verrichten läßt.

4.
Daß er bei den Liedern in der Kirche nicht mitsinge (damals gab es noch keine Orgel, sie wurde erst 10 Jahre später angeschafft. Wegen dem Kerl von Schulmeister etwa?), nicht einmal die Verse anfange, wodurch Unordnung und Gelächter entstehe, welches letzthin geschehen ist.

5.
Daß er sich lasse bei den Leichen vor die Thür einen Stuhl setzen (es war wohl üblich, daß der Schulmeister und die Kinder den Toten mit Gesang bis zur Kirche zu begleiten hatten. Und dabei mußte gelegentlich gewartet werden), auch durch den Schulknaben sich den Mantel bis vor das Haus tragen lasse. Letzthin bei Hans Christoph Uhlmanns Kinderleiche habe er keinen Stuhl gefunden vor dem Hause und sich daher auf das unanständigste auf den Hang am Haus gegenüber gelegt, wodurch die Kinder dergleichen zu thun verleitet worden.

6.
Daß er mit dem gesetztem Schulgelde von 3 Pfg. für die Kinder, die noch nicht schreiben können, und 6 Pfg. für die schreibenden Kinder nicht will zufrieden sein.

7.
Wenn er sich mit seiner Frau gezankt habe, lasse seinen Zorn an den Kindern aus, zu anderer Zeit bestrafe er sie wegen ihrer Unarten nicht.

8.
Daß er den Kindern Spitznamen gab, z.B. meinen Kuhjungen nennt er den Pfarrfuchs und den Pfarresel, Gotthelff Webers Sohn den heiligen Joseph aus Ägypten, des Schusters Letzins Sohn den Lachmann und den vierschrötigen Schlingel Gottlieb Wagners Sohn den Steifmann, Gottfried Gläsers Sohn den Speiteufel und Christoph Neubauers Sohn den Wurstzipfel, daraus diese Unordnung entsteht, daß die Kinder einander bei diesen von dem Schulmeister gelernten Schimpfnamen benennen und es deswegen zu Rauferei und Schlägerei mit einander kommt.

9.
den Sonnabend, do er eingetagen [?] und Feuer in Offen gewesen Frenisch [?] aber verlanget daß das Feuer ausgehen soll, damit die noch nicht fertige Stube [?] reine gemacht werde hat er wie Frenisch [?] bezeugen will gefluchet ich wollte das alle Teuffel denn & alle Wetter drein schlage als ihm seine Frau [vor]gestellet, es möchte es jemand hören, hat er ihr geantwortet: Sey es wie es geh, der Teuffel .....

10.
als der Gerichtsschöppe Gläser die Bretter zur obern Müle angefahren, und der Zimmermann Wagner [?] gesagt: Diese weren noch zu grün, worauf Gläser versetzet, es müßte ja nicht eben diesen Sommer ausgebauet werden, welches die Gemeinde ..... ..... ausgemachet, hat er [der Schulmeister] zur Antwort gegeben: So soll ich noch lenger aufgehalten werden, was ist das für ein Flegel.

11.
Zu Christoph Richters, des Bauern Sohn, hat er gesagt in der Schule: Du darfst nicht über des Schmid Sohn seyn denn der Meister ist mehr als der Bauer. Wenn aber dein Vater bey dem Schmid Meister ..... Martin wird ..... laßen, so wird er es wohl nie geschehen laßen, daß du über seyn Sohn seyest, worüber sich der Schmid beschweret.

12.
Hätte er ohnlängst in der Schule zu den Kindern gesagt: Sie sollen es ihren Eltern zu Hause sagen, es müsse ihm diese Jahr ein jeglicher Bauer 1 Scheffel Erdäpfel geben, weil sie gut geraten wären, seine aber faulig wären und er sie nicht essen könnte.

13.
Als der Schulmeister nach dem unglücklichem Brand in der alten Schule von dem erbetenen und erhaltenen Getreide Brod gebacken und davon es der Schulzeit gegessen, habe er gesagt: Das Bettelbrot schmeckt gut. Die Bettelleute haben es recht gut.

14.
Als der Schulmeister den Bauer V. einen Ackerzug umsonst zu tun gebeten, hat er dazu gesagt: Ich bin nun ein Bettelmann, ich kann kein Ackertag mehr bezahlen.

15.
Daß der Herr Schulmeister recht zur Schande der Gemeinde in eigner Person nach dem Brand betteln gegangen ist. Nach Lengefeld wäre er selbst gegangen und hätte gesagt: Er habe soviel zusammengetragen, daß er sein Winterholz davon bezahlen könne. Und seine Magd habe er in alle umliegenden Dörfer betteln geschickt.

16.
Auf den Tauffen, wo ich (der Pfarrer) nicht zugegen bin, räsoniere [maule] er wegen dem Brand und lästere auch die hiesigen Einwohner, daß sie ihm nicht beigestanden und seine wenige Habe helfen retten. Es habe gar einer die Tür einer Kammer zugeschmissen, daß niemand etwas retten könne. Doch Johann Gottlieb Rümmler kann bezeugen, daß niemand etwas zu retten instande gewesen ist, weil das auf dem Boden gelegene Heu in völliger Glut den Leuten auf den Hals gefallen und andere behaupten, wenn das Heu und Grummt nicht auf dem Oberboden gelegen hätte, die ganz neue und nun vor 5 Jahren von Grund auf erbaute Schule hätte gerettet werden können.

17.
Am 21. October, als des Mittwochs nachdem die obengesagte Ubergabe der Schule geschehen ist, hat er gegen die Schulkinder gesagt: Ich bin verklagt, ich werde vor dem Richter in den Fuchs kriechen müssen.

18.
verlangt die Gemeinde, daß die Schulmeister ihre Besoldung aus einen Termin abhohlen solle, wie sie gestellt sind & so ..... es gelten, und nicht ein ganzes Jahr zusammenkommen laß.

Obige Klage Punckte nebst etwa von mir gethanen Hemmung [?] sind hier traulich angewendet worden.
Magister Gottfried Weiner, Pfarrer


Außer obiger Beschwerde der Gemeinde wider ihn habe selbst ihn zu erinnern gehabt

1.
Daß er sein Sohn, ein Pursch von 20 Jahren nicht jeden Sonntage, da ..... Gottesdienst da die Orgel schlagen laße. Er könne ihn wohl zuweilen zu seiner Übung ein Lied abspielen laßen, aber ihn ..... & beständig diese Verrichtung zu übergeben, kann ich nicht gestatten werden, weil es eine Arbeit seines Amtes, die er nicht willkürlich ein andern überlaßen kann. Zumahl da noch die Ges..... gelehrte, daß er ..... ..... sein Sohn ..... plaudere. Worauf er zur Antwort gegeben es könne ihm niemand wehren, es geschehe an anderen Orten auch. Daß er dieses auch recht ernstlich gemeinet hat er des folgenden Sonntags bewisen: Denn sobald sein Sohn in die Kirch kam bey Vorlesung der Epistel lassen ihn biß zum Ende des Gottesdienstes ganz allein spielen, damit er öffentlich zu erkennen geben, daß er alle ..... nichts achte.

2.
daß er des Sonntags, weil wir ietzt noch kein Kirch Zeiger [Turmuhr] haben, sein Haus Zeiger lengst gehen hat & ansich gestellen zu halbszeit Leute. So als ich in die Schul komme find ich als sein Zeiger frühe geht als ein Uhr aber Uberzeit des Sontags gehet sie bis ½ auch ¾ Stund später, danach will er nicht Dinst haben als er ihn zuweg ziehe. J. S. Am letzten ... [fast nicht mehr zu lesen]

3.
Wie wenig er auf mein Wort gebe, hat er noch weiter in dieser Sache bewiesen. Ad 13. und ad 14. der Klag Punkte der Gemeine wieder ihn habe ich ihn erinnert, daß er sich den frevelhaften Sachen vom Bettelmann und Bettelbrod enthalten soll und ad 16 dieser Klag Punkt, daß er auff offentlichen Kindtaufen von seinen Privat verdrüßlichkeiten anderen nicht zum Verdruß rede. Was tut er? an diesen Tage bin ich nebst ihm auf einen Taufeßen. Da ich wegen des Käsegerichts, den ich nicht vertragen kann aufgestanden, hat er seine verdrüßlichen Reden schon wieder angefangen. Den nachdem seine Frau gesprochen: "Es schmerze doch, wenn man unschuldig verfolget werde", hat er gesaget "Laß sie gehen, sie können mir nichts thun. Ich will sehen, wer mir das Heu & Holtz herauswerfen will. Trotz dem alten Drachen! Sie haben mir die Brand bettel Briefe weggeworfen. Es sind lauter große Herren in Hermersdorf. Sie wollen nicht leiden, daß der Schulmeister auf den Brand betteln gehe.."

Des nächsten Sonntags ist er zu Meister Johann Gottfried Beyern einem Schuster alhier und hat in deßen und seiner Frau Gegenwart auch in Beysein einer noch anderen Person gesagt, "Es ist mir verboten worden, jemand um ein Stückchen Brod anzusprechen und wenn sie mirs schon geben wollen, soll ichs doch nicht nehmen. Nun so muß ichs machen wie Teufel und sagen das die Steine brod werden."

Ich behalde mir ausdrücklich vor, ihn dieser geführten anzüglichen Reden , so er sie nach seiner Gewohnheit abläugnen wolte, mit unvervührlichen Zeuchen zu überführen, und wegen der wieder mich darin enthaltenen Injurien [Gemeinheiten] gehörige Satisfaction [Genugtum, Entschuldigung] zu suchen, denn sonst dürfte ich meinen Mund nicht aufthun ihn etwas zu erinnern. Lästern & schmähen würde mein Lohn seyn.

4.
Des Sonnabends bringt er nie mahlen einen Knaben oder sonst jemanden mit zum Einläuten zur Beth Stunde bey der Beichte, sondern muß jemanden von den CONFITENTEN (1) auffordern, daß er ihnen diese Arbeit helffe verrichten.

5.
Er hält die Schulknaben nicht mit Ernst an, daß sie zu den Begräbnissen kommen soviel Mahl ich auch darwider geredet habe. Ich erinnere mich einmahl daß gar kein Knabe darbey war u. der Toden Gräber das Creutz tragen mußte. Bey der Festo Michaelis (2) gehaltenen Schul-Predigt, habe ich es PRO CONCIONE (3) erinnert daß alle Schul Knaben mit zur Leiche gehen müßtn, die außenbleibenden aber von dem Schulmeister solten bestrafet werden. Diese Erinnerung habe [ich] gegen ihn PRIVATIM wiederholet, aber ohne Frucht. Dom. XXP. TRINI (4) haten wir eine COLLECTS (5) leiche bey welcher ein eintziger Knabe war. Denen anderen ist nichts gesaget worden, viel weniger bestrafft.

So nachsichtig er gegen die Kinder bey ihrer würklichen Unart straffbaren Unart ist; so unmäßig ist sein Zorn gegen sie, wen er durch andere Ursachen, die ihn näher angehen, erreget worden. Als er den 29. October von dem ihm geschehenen Vorhaltung von mir nach Hause kommt, findet er die Schulkinder zur Mittags Schule versammlet, und unter dem Vorwand, als säßen einige nicht recht an ihren gehörigen Ort, steigt er auf die Tafel & schlägt mit den Stabe auf etliche, besonders August Breyers und Gottlieb Wagners Sohn so hefftig zu, daß sie Schwielen darvon bekommen. Und damit sie fein wissen möchten, warum sein Zorn diesmahl so hefftig sey so sagt er es ihnen: weil sie ihn unschuldig verklagt hätten. Gottlieb Wagners Sohn [ist] nach geendigter Schule zu seinem Großvater der zunächst bey der Schule wohnt, gekommen, und der Wirt des Hauses [Hauseigentümer] Johann Gottlob Fischer will es bezeugen, daß der Junge vor Furcht gebebet habe das er geglaubet er werde eine Kranckheit darvon bekommen. So suchet er die Kinder in Furcht zu treiben, daß sie nichts von dem was er unanständiges in der Schule vornimmt aussagen sollen.

In Reinigung & Auskehrung der Kirche ist er sehr saumseelig. An statt daß sie sein Verfahren, wie man mir gesaget hat alle Sonnabende auskehret, so thut er es des Jahres kaum dreymahl. Unser newer Altar stehet nun meher 2 ½ Jahr und ist noch nicht abgekehret. Auch mein offenes Erinnern deswegen wendet er vor: Es sey kein Porstwisch [Handfeger] dazu da!. Der hätte längst sollen gekaufft werden darzu ihm das Geld aus der Kirchen gern soll gegeben werden. Und dieses dieses däucht mich, liegt dem Schulmeister ob, daß er für die Erhaltung der INVENTARIEN Stücken [das Handwerkszeug] sorge, die er zu seinem Amte brauche, genung, daß er Geld darzu bekommen soll. Aber hier regt er sich nicht. Sind die Sachen nicht da, so darf [braucht] er nichts thun und hat einen Vorwand seyner Nachläßigkeit.

Ob ich gleich noch viel andere Beschwerung wieder ihn anzubringen hätte, welche die Nachlässigkeit in seinem Ampte betreffen, so will [ich] doch mit mehreren Euren Hoch Ehrwürden nicht beschwerlich fallen, und hoffen, daß, wenn er zu besserem Gehorsam gegen mich in Amts Sachen angehalten wird, es künftig hin von mir nur einer Erinnerung bedürffen werde.


  1. Konfirmanden-Schüler ?
  2. 29. September
  3. sinngemäß "vor versammelter Mannschaft"
  4. der 20. Sonntag nach Trinitatis, meist im September bis Oktober
  5. Collecta = Beitrag

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