![]() Eigener Bericht / Freie Presse 13. Juni 1992 |
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H.D. Haben wir eigentlich noch Sozialismus und führende Rolle der Partei? - Drei Jahre nach der Wende sollte sich dieses Frage nicht mehr stellen, doch die Vorgänge um die Krankenhausplanung erinnern merklich daran. "jede kritische Nachfrage ... in den Rang einer Majestätsbeleidigung erhoben", schrieb der Kommentator der Freien Presse (s.u.) über die mangelnde Transparenz von Entscheidungen und Fehlentscheidungen. - Darum folgt hier, was zum Krankenhaus-Bau in Gemeinderats-Sitzungen öffentlich gesagt wurde.
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Platz genug wäre ja da für ein Krankenhaus. |
Man redete ihm gut zu. Man sprach von einer sechsstelligen Summe. Vom Gewinn für den ganzen Ort. Doch der Bauer blieb dabei: Ich brauche das Feld selbst. Irgendwann hätte man ihn vielleicht mit Geld oder guten Worten umgestimmt oder seine Entscheidung akzeptieren müssen. Statt dessen fielen in der (öffentlichen) Sitzung des Gemeinderates Worte von rechtlich möglicher Zwangs-Enteignung. - »Die SED-Bonzen haben mir 1970 alles weggenommen, und jetzt soll es wieder genauso sein? Mit mir nicht!« schimpfte der Bauer, den diese Aussage postwendend erreichte. »Die brauchen gar nicht bei mir zu klingeln, kein Wort red' ich mehr mit denen!« Nun hätte man ja ausrichten lassen können, das sei keineswegs die Absicht des Gemeinderates, sondern nur ein unüberlegtes Wort gewesen. Statt dessen verbreitete man in Krumhermersdorf die Behauptung, durch diesen Bau würden 400 neue Arbeitsplätze entstehen - natürlich vor allem im Ort. Und nur EINER verhindere das.
So ging man zu DDR-Zeiten mit den Leuten um. Sollte das nicht endgültig vorbei sein? Oh nein! Am 31. März 1992 fand eine Sondersitzung des Gemeinderates statt, zu der Vertreter des Planungsbüros anwesend waren.
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Die Kreistagsabgeordneten gaben am Montag diesem Krankenhausmodell des Architekturbüros Monnerjan den Vorrang. Vier Pflegetrakte sollen sich sternförmig um einen Behandlungstrakt ordnen und durch unterschiedliche Geschossigkeit dem Hang in der Neuen Heimat in Zschopau anpassen. Foto: Murkowski |
Inzwischen hat nun Zschopau den Zuschlag bekommen. Damit kann man doch leben, vielleicht ist der Standort sogar noch ein wenig günstiger. Und kein Mitarbeiter der dafür aufgegebenen Krankenhäuser wurde entlassen! Allerdings auch keiner zusätzlich eingestellt. Man wird das Thema zu den Akten legen, aber ein schaler Beigeschmack nach DDR-Leitungsmethoden bleibt bei den Krumhermersdorfern zurück.
Stil-Brüche
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Als Erklärung für den Standortwechsel wurde nach der Sitzung lediglich bekanntgegeben: "Für den Neubau eines Kreiskrankenhauses mußte der geplante Standort Krumhermersdorf aufgegeben werden, weil es bis zum Stichtag 26. Mai 1992 nicht gelang, die für den Baubeginn notwendigen Grundstücke zu erwerben." Zu einer öffentlichen Erklärung für den Standortwechsel sah man sich nicht in der Lage. Wenn die entsprechende Landesbeschluß vorliegt, könnte das Krankenhaus nun an den schon im vergangenen Jahr favorisierten Standort gebaut werden, den die Stadt Zschopau damals abgelehnt hatte.
Einstimmig erklärte der Kreistag seine Zustimmung zum Vorschlag der CDU-Fraktion, im Wichernheim Börnichen zehn Plätze für geschütztes Wohnen zu schaffen. Viola Degen (Neues Forum) als Vorsitzende der interfraktionellen Arbeitsgruppe "Geschütztes Wohnen", die im März zu dem Entschluß gekommen war, das Projekt mangels Bedarf vorerst einzustellen, sah sich zu einer persönlichen Erklärung veranlaßt. 1990 war auf Vorschlag des Forums eine Arbeitsgruppe gegründet worden. Es sei mühselig gewesen, so Degen, Verantwortliche in den Ämtern zur Mitarbeit zu gewinnen, später habe man Gebäude gefunden, es sei schon gebaut worden, es seien neue Gebäude gefunden und wieder verworfen worden. Sie habe sich bei ihren Vorstellungen vom geschützten Wohnen immer an der größten Elternvereinigung für geistig Behinderte, der Lebenshilfe, orientiert. Fachleute, so die selbst für Behinderte arbeitende Pädagogin, sprächen sich gegen die Institutionalisierung von Behinderten aus, forderten Wohngebietsnähe und soziokulturelles Umfeld. Dafür sei das Wichernhaus nicht optimal. Dennoch stimme sie für den Ausbau des Wichernheims, weil dies vielleicht ein erster Schritt für ein Behindertenhaus im Landkreis sei. Allerdings frage sie sich, wieso jetzt so schnell Geld und Platz da sei, warum erst jetzt genaue Zahlen vom Sozialamt vorliegen und wieso die Vorlage von einer Fraktion eingebracht werde, die sie nicht einmal informiert habe. So stelle sich für sie die Frage, ob "tatsächlich Geld die Welt regiert" oder ob es sich um einen "politischen Schachzug" handele. Kreistagspräsident Erhard Berger (CDU), der die Vorlage erarbeitet hatte, verneinte dies gegenüber Freie Presse entschieden. Ihm sei es darum gegangen, "etwas für die betroffenen Menschen zu tun", nicht Parteipolitik zu machen.