Die
Tischtennisball-Fabrik

Pauli-Fabrik   -   Plasticart   -   Sportgeräte

Noch unterhalb der Wasserbrücke steht in Krumhermersdorf eine Fabrik, die offenbar schon bessere Tage gesehen hat. Der großzügige Eingangsbereich ist verbaut, der Hof mit Anbau auf Anbau bedeckt, und die Fassade sieht nach Investitionen aus.

1930 wurde diese Strumpffabrik von Herrn Grösel erbaut; doch dessen Freude am solide und massiv gebauten Werk war nur kurz.
1934 übernahm sie der Strumpffabrikant Pauli. Der verließ nach dem Krieg die damalige sowjetische Beatzungszone für immer. Die Fabrik wurde dadurch Volkseigener Betrieb. Bis 1963 wurden hier Strümpfe hergestellt. Von damals bis zur Wende war sie Außenstelle verschiedener Betriebe für die Herstellung von Tischtennisbällen. Und erst in den letzten Jahren zog in das verlassene Gebäude wieder Leben ein mit der Firma Motorgeräte Gläser.

Die 80er Jahre erlebte ich selbst in dieser Fabrik mit: Mit Aktennotizen, in Gesprächen, bei der Rekonstruktion der Technologie (die damals richtig vergessen war), zuletzt nach der Wende als Leiter und Auflöser. Aus heutiger Sicht (1999) scheinen Erinnerungen, Berichte und Dokumente der damaligen Zeit naiv, maßlos übertrieben, gar völlig unglaubwürdig. Doch das sind keine Erfindungen, das war typischer DDR-Sozialismus der 80er Jahre.

Material und Technologie

Was sind eigentlich Tischtennisbälle? Diese runden Dinger sind so unscheinbar, man möchte meinen, sie fielen aus einer großen Maschine zu Hunderten heraus und fertig. - Es gibt solche Bälle. Doch die unheimliche Elastizität, die beim Aufschlag auf den Tisch weniger als 5% der Bewegungs-Energie verbraucht, ist nur mit sehr wenigen Materialien zu erreichen. Bis vor 15 Jahren waren deshalb diese Bälle in aller Welt aus Zelluloid - dem ersten Kunststoff überhaupt. Dieser Kunststoff läßt sich weder gießen noch in Formen spritzen noch (wie sonst Bälle gemacht werden) in Formen aufblasen. Das machte die Herstellung aufwendig. Viel aufwendiger, als man dem unscheinbaren Ball ansieht.

Und gefährlich! Denn Zelluloid ist nichts anderes als Schießbaumwolle mit Kampher gemischt. Der Name deutet es schon an: Zelluloid ist höchst feuergefährlich, es entzündet sich selbst bei Temperaturen über 150 °C. Schwelt es, statt zu brennen, gibt es Blausäure ab: Ein Tischtennisball genügt für eine tödliche Dosis! Brennt es aber, dann wie Pulver. Das ist auch der Grund, warum sein Einsatz heute fast überall verboten ist. Wo es dennoch benutzt wird, gibt es dicke Vorschriften zum Brandschutz, Katastrophenpläne, Löschwasserteiche, schwere Stahltüren ...


C+H Doerffel
Krumhermersdorf 1999
Die Technologie
Die Qualitätskontrolle
Rationalisierung a la DDR
Vorbereitung auf den 3. Weltkrieg?
Masse statt Klasse
Die Wende - das Ende
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